3. HERZL-GEDENKTAFEL:
DER WEGGERISSENE SATZ
Theodor Herzl, Autor der Schrift „Der Judenstaat“ (1896), gilt als geistiger Vater des Zionismus und des Staates Israel. Der aus Budapest gebürtige Jurist verbrachte einige Jahre als Rechtsreferendar am Landesgericht Salzburg. Als Jude litt er unter dem grassierenden Antisemitismus. Einen Skandal gab es erst vor wenigen Jahren, als ein verkürztes, kritisches Tagebuchzitat Herzls auf einer Gedenktafel dessen Aussage ins Gegenteil verkehrte.
„In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu“, lautete die Tagebucheintragung vom Sommer 1885 und das Zitat auf der 2001 von der Stadt Salzburg angebrachten Gedenktafel am Residenz-Neugebäude. „Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben“, schrieb Herzl weiter, „aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden. Deshalb nahm ich damals von Salzburg und der Rechtsgelehrsamkeit Abschied.“

Viele waren über diese Chuzpe, ein kritisches Zitat durch Weglassung in eine Lobhudelei zu verwandeln, empört. Die Künstler Wolfram P. Kastner und Martin Krenn, die eine Klasse der Sommerakademie für bildende Kunst leiteten, ergänzten mit ihren Studenten das sinnentstellte Zitat handschriftlich und handelten sich prompt eine Strafanzeige ein. Die Ergänzung wurde übermalt, die Justiz ermittelte nach Anzeige der Liegenschaftsverwaltung des Landes Salzburg und Genehmigung durch Landesrat Wolfgang Eisl (ÖVP) wegen „schwerer Sachbeschädigung“, ein Delikt, auf das bis zu drei Jahre Haft oder 350 Tagessätze stehen. Die Schadenssumme beträgt 145 Euro.

Im Februar 2002 lehnten die Landtagsparteien SPÖ, ÖVP und FPÖ die Ergänzung der Tafel auf Antrag der Grünen ab. Schließlich schaltete sich Bundespräsident Thomas Klestil ein und bat um eine Vervollständigung des Zitats. Diese Intervention löste einen Meinungsschwung aus. Im September wurde das Strafverfahren eingestellt. Zähneknirschend verabredeten sich die Parteien auf eine Ergänzung der Tafel, die nun am Mozartplatz Nr. 5 angebracht wurde. Der Fall zeigt anschaulich, wie ungelenk hierzulande auch noch 100 Jahre später mit der eigenen Geschichte umgegangen wird. (cs)

Literaturtipp:
Stephen Beller: Herzl. Wien 1996.

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