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Schloss Blühnbach bei Werfen war einst im Besitz der
Familie Krupp, Europas „Kanonenkönigen“. Unter Hitler
konnten die Krupps sich aus Hunderttausenden
Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen – 40 Prozent
der Belegschaft im Jahr 1943 – und Tausenden KZ-Häftlingen
bedienen. „Die Leute brechen zusammen und
gehen ein“, bedauerte das Unternehmen in einem
Tagesbericht. |
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Schloss Blühnbach, malerisch am Talschluss des Blühnbachtales
vor den imposanten Felswänden des Hagengebirges gelegen,
diente den Eigentümern des deutschen Friedrich-Krupp-Konzerns
(seit 1999 „Thyssen-Krupp AG“) als Sommersitz. Das spätere Familienhaus
der Essener Stahlkocher war 1908 von Erzherzog Franz
Ferdinand erworben und in der Folge renoviert worden. Der Thronfolger
fand bekanntlich 1914 im Attentat von Sarajevo den Tod.
Dieses Ereignis löste den Ersten Weltkrieg aus, eine Situation, die
Waffenhersteller wie die Krupps geschäftlich überaus schätzen. Es
mutet daher wie eine Ironie der Geschichte an, dass die Krupps,
die im zivilen Bereich mit dem Radreifen für Eisenbahnen und der
Erfindung des Nirosta-Stahls, im militärischen Bereich vor allem
mit Geschützen („Dicke Berta“) zu einem enormen Vermögen
gekommen waren, 1916 das Schloss erwarben.
Die Verwendung von Zwangsarbeitern in den Krupp’schen
Rüstungswerken ist ausreichend dokumentiert. Um 1943 wurden
50.000 ausländische Arbeiter, 12.000 KZ-Häftlinge, so viele wiekaum anderswo, ohne ausreichende Nahrung in den Krupp-Werken
und -Werften zur Schwerstarbeit gezwungen. Bei „Vergehen“
drohten Folterzellen („Stehbunker“). Krupp von Bohlen und
Halbach war SS- und NSDAP-Mitglied und wie sein Vater Wehrwirtschaftsführer
und Mitglied des Rüstungsrats. 1948 wurde er wegen
Sklavenarbeit und Plünderung von Wirtschaftsgütern verurteilt.
Nach den Worten des US-Chefanklägers vor dem Internationalen
Militärgerichtshof Robert H. Jackson waren die „Kanonenkönige“
Krupp seit 100 Jahren „Symbol und Nutznießer der unheilvollen
Kräfte, die den Frieden Europas bedrohten“.
Die 7th Army durchsuchte nach Kriegsende Blühnbach, um
belastendes Material zu finden. Die Militärs fanden im Schloss den
schwerkranken Gustav Krupp von Bohlen und Halbach vor, der
den Konzern 37 Jahre geleitet hatte. Er wurde ins Posthaus des
Schlosses ausquartiert und starb 1950 in Blühnbach. Zuvor hatten
die Amerikaner dem Dementen noch die Anklageschrift aufs Krankenbett
gelegt, in der er neben Göring und Kaltenbrunner als
Hauptkriegsverbrecher angeklagt war. Das Schloss wurde in ein
Flüchtlingsheim mit 80 Zimmern umgewandelt.
Unternehmenserbe Arndt von Bohlen und Halbach (1938–1986)
verzichtete 1966 gegen eine jährliche Apanage und ein stattliches
Immobilienvermögen auf Erbe und Namen und überließ Berthold
Beitz die Unternehmensführung. Sein Vermögen übertrug er einer
gemeinnützigen Familienstiftung. 1969 heiratete er, obwohl offenkundig
homosexuell, in der Kapelle von Schloss Blühnbach Henriette
von Auersperg. Bekannt wurde er als internationaler Jetset-Löwe,
seine andere Seite war die eines großzügigen Spenders für die Armen.
Vielzitiert sind seine Aussprüche hinsichtlich „Arbeit“ und täglichem
„Klimpergeld“, das mehreren Durchschnitts-Monatslöhnen entsprach.
Im Alter von 48 Jahren starb er hochverschuldet an Mundkrebs.
Angelehnt an sein Leben drehte Luchino Visconti „Die Verdammten/
The Damned“ (1969) mit Helmut Berger in der Hauptrolle.
Schloss Blühnbach wurde von der Stiftung 1988 an den amerikanischen
Industriellen Frederick R. Koch verkauft, der es privat
nutzt. Koch Industries Inc. ist ein Weltkonzern mit 80.000 Mitarbeitern. Das Betreten des Areals ist nicht gestattet. (cs) |
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Lothar Gall: Krupp. Berlin 2000.
Hanns-Bruno Kammertöns: Der letzte Krupp. Hamburg 1998.
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