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Es gibt – besonders auf dem Territorium der ehemaligen
UdSSR – zahlreiche Beweise für Verbrechen und rassistische
Kriegsführung der von vielen Veteranen und (Neo-)
Nazis als „ehrenvoll“ verherrlichten deutschen Wehrmacht.
Hinzu kommen die Schicksale sowjetischer
Gefangener – zum Beispiel in St. Johann im Pongau.
Hier wurden Tausende Gefangene allein wegen ihrer
ethnischen Herkunft zu Tode geschunden; neben Häftlingen
aus anderen Staaten, die weit höhere Überlebenschancen
hatten. |
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Eine kleine Gedenkstätte beim ehemaligen Kriegsgefangenenlager
im Salzburger Pongau erinnert an ihre Leiden: 3542
Soldaten aus einst sowjetischen Teilrepubliken wurden hier in einem
Massengrab bestattet. Das „Stalag XVIII C“ bestand bis 1945.
St. Johanner Politiker und Veteranen-Verbände unter Dominanz
der christlich-konservativen Volkspartei (ÖVP) versuchten seit 1945,
einen Mantel des Vergessens über diesen sogenannten „Russenfriedhof“
zu breiten. Der Kalte Krieg half dabei. Bei Straßenbauten
und Streitereien von Grundbesitzern im Umfeld wurde die Anlage
in den 1960er-Jahren vom öffentlichen Wegenetz abgeschnitten.
Nur Friedhofspfleger des „Schwarzen Kreuzes“ engagierten sich,
gelegentlich kamen Besucher. Dem Pongauer Historiker Michael
Mooslechner und der Mittelschullehrerin Annemarie Zierlinger
ist es zu verdanken, dass die St. Johanner Stadtregierung zunehmend
unter Druck geriet. Gymnasiasten dokumentierten Lager
und Gedenkstätte im Projektunterricht. 2006 begannen Planungen
für die neue Zufahrtsstraße, die von Land Salzburg und Gemeinde
finanziert wird.
Im südlichen Bereich waren Franzosen, Briten, Polen und Serben
untergebracht, die relativ anständig behandelt wurden. Im Norden
litten Russen und Angehörige anderer Nationen der Sowjetunion.
„Sie galten als minderwertige Ostmenschen und mussten härteste
Arbeiten verrichten – unter katastrophalen Bedingungen“, sagt
Mooslechner. So mussten sie wochenlang unter offenem Himmel
in Erdlöchern hausen, sich von Würmern und Gras ernähren, weil
sie gezielt dem Hungertod ausgesetzt wurden. Zeitweise lebten bis
zu 30.000 Menschen in dem Lager. Täglich starben etwa 40 Rotarmisten.
Wer hier lebend ankam, hatte ohnehin „Glück“ gehabt.
Der Zeitzeuge Erwin Lehner, 1922 in Bad Gastein geboren, musste
mit ansehen, wie hier im Winter ein Zug aus Russland von Wehrmachtssoldaten
entladen wurde: „Als sie den Viehwaggon öffneten,
fielen steifgefrorene Tote heraus. Im Laderaum lagen nur Leichen.
Ich wurde von Wachposten in scharfem Ton aufgefordert, schnell
weiterzugehen. Später erfuhr ich, dass diese Gefangenen vor der
Ankunft in St. Johann bis zu 14 Tage Bahnfahrt ohne Verpflegung
durchzustehen hatten.“
Wie eng Wehrmacht und SS verzahnt waren, zeigten auch die
letzten Kriegstage, als am 1. Mai 1945 prominente Gefangene
nach St. Johann gebracht wurden: vier britische Offiziere, darunter
der Neffe der Königin und der Neffe des britischen Oberkommandierenden
in Nahost, ein amerikanischer Offizier und 16 Anführer
des Warschauer Aufstandes. SS-Reichsführer Heinrich Himmler
hatte die Überstellung von Leipzig über Pilsen, Tittmoning und
Laufen in den Pongau veranlasst, um Geiseln als Faustpfand gegen
die Verhaftung durch die Alliierten zu haben. Der Befehlshaber
des millionenfachen Mordes in Konzentrationslagern saß damals
auf der Flucht in dem kleinen Salzburger Bergdorf Eschenau, nicht
weit von St. Johann. Hier, in die sogenannte (nie existierende)
„Alpenfestung“, hatten sich einige der obersten Verbrecher zurückgezogen,
darunter auch Hermann Göring. Der SS-Offizier Gottlob
Berger widersetzte sich den Befehlen zur Erschießung der Geiseln
und ließ diese – eigennützig im Hinblick auf die eigene Festnahme
– wenige Tage später nach Wörgl in Tirol fliehen, wo schon die
US-Armee stand. (gl) |
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Michael Mooslechner: Das Kriegsgefangenenlager STALAG XVIII C „Markt Pongau“. Todeslager für sowjetische Soldaten. Geschichte
und Hintergründe eines nationalsozialistischen Verbrechens in St.
Johann / Pongau während des Zweiten Weltkrieges. Salzburg 2005.
Info: Die Broschüre liegt bei der Gedenkstätte auf und kann kostenlos
entnommen werden.
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