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Erinnerungen eines alten Goldsuchers fliegen von
Alaska schneller nach Salzburg als eine Boeing: „Gibt es
diese schöne Alm im Tennengebirge noch?“, fragt Alois
Kuchta, ein gebürtiger Pole. In den Salzburger Pongau
hatten ihn einst die Nazis zur Zwangsarbeit verschleppt. |
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Alois Kuchta, mehrfacher Weltmeister im Goldwaschen, bewundert
die Pioniere des großen Goldrausches von 1898 in Alaska
und im nördlichen Kanada. 1939 hatten deutsche Truppen den Sohn
eines Bergmannes aus dem polnischen Tatragebirge ins Salzburger
Land verschleppt. In Bischofshofen schloss Kuchta Freundschaft
mit der Familie des Bergbauern Wilhelm Rettenegger, von der er
gut behandelt wurde. Christlich geprägte Landwirte durchbrachen
immer wieder die Vorgaben der Nazis, Zwangsarbeiter physisch
auszubeuten, was als „Verbrüderung“ oder auch als Hochverrat
gebrandmarkt wurde. Die NS-Behörden nutzten einen Arbeitsunfall,
als Kuchta und seinen Kollegen im Zuge von Holzschlägerungsarbeiten
ein Baum auf eine Stromleitung fiel. Man beschuldigte die
Polen der Sabotage – zum Schrecken der Bauernfamilie, die „ihre“
Leute schützen wollte. Die jungen Männer wurden in ein Straflager
nach Innsbruck deportiert. Einige wurden ermordet, Kuchta kam
davon.
Sein kleines Holzhaus steht in Juneau, der Hauptstadt Alaskas im
Südosten des Bundesstaates. Die Freundschaft zur Bauernfamilie
Rettenegger pflegt er bis heute. Man schreibt sich. Stolz spielt er bei
unserem Besuch in Alaska auf seiner diatonischen Ziehharmonika,
die er vor Jahren in einem Bischofshofener Musikgeschäft gekauft
hat. Mit Österreich hat er seinen Frieden geschlossen: „Nur die SS
war wirklich böse.“ Nach dem Krieg diente er als Berufssoldat in
der US Army. Wir gehen Gold waschen und finden prompt ein paar
Körner in einem nahen Creek. Dann folgt eine kurze Ausbildung
an Kuchtas neuer Winchester: „Du solltest gut sein mit der Büchse.
Da oben weiter im Norden können die Grizzlies gefährlich werden.“
Alois möchte uns zum Abschied noch gelbes Edelmetall in die
Hand drücken. No, thanks! Hätte Kuchta nicht die Nuggets und
das Pensionsgeld der US Army, müsste er als Opfer der Nazis von elf
Euro leben, die ihm Österreich monatlich überweist. Über Vermittlung
eines Freundes in Salzburg gelang es, ihm eine höhere Summe
als einmalige staatliche Entschädigung zukommen zu lassen.
Die Liebe zu Salzburgs Bergen und der Briefkontakt veranlassten
Kuchta in den 1980er-Jahren, ohne Vorankündigung in Bischofshofen
aufzutauchen: „Er stand einfach vor unserem Bauernhof.
Zuerst habe ich mich wegen dem langen Bart gefürchtet. Als ich
erkannte, dass es unser legendärer Alois aus Alaska ist, dem ich
vorher nie begegnet war und den ich nur aus guten Erzählungen
kannte, gab es eine tolle Begrüßung“, erzählt Margit Rettenegger,
die Frau des Helmberg-Bauern in Bischofshofen. Ihr Mann, Jahrgang
1940, ist der Sohn des Altbauern, der in Alois Kuchtas Jugend den
Hof bewirtschaftete. Ihn mochte Kuchta besonders gern. Er wurde
zur Wehrmacht eingezogen und ist seit 1943 in Russland vermisst.
Sohn und Enkel lud Alois Kuchta in den 1980er-Jahren erstmals
an die Pazifik-Küste nach Alaska ein. Er selbst ist aufgrund seines
hohen Alters nicht mehr so reisefreudig. (gl) |
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Oskar Dohle, Nicole Slupetzky: Arbeiter für den Endsieg. Zwangsarbeit
im Reichsgau Salzburg 1939–1945. Wien, Köln, Weimar 2004.
Gerald Lehner, Goldrausch. Das Leben des Alois Kuchta. Salzburger
Nachrichten, 24. September 1998.
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