44. RUDOLFSHÜTTE, STUBACHTAL

KÄLTETOD FÜR KZ-HÄFTLINGE
Dass Himmlers SS-Bürokraten weite Teile Europas auch mit kleineren „Außenlagern“ der großen KZs überzogen, ist nicht nur bei Jüngeren in Vergessenheit geraten. Dass sich auch bei der Rudolfshütte im Nationalpark
Hohe Tauern, die bis vor einiger Zeit dem Alpenverein gehörte, eine Dependance des Konzentrationslagers Dachau befand, wurde in Salzburg lange verschwiegen. Hier arbeiteten Häftlinge beim Bau eines Kraftwerks, das noch heute Strom für Österreichs Eisenbahnen liefert.
Das Lager befand sich in knapp 2400 Metern Seehöhe beim Weißsee; ein paar Steinwürfe von der Rudolfshütte entfernt, die bei Fronturlaubern und Zivilisten auch im Krieg eine beliebte Ausgangsbasis für die prachtvollen Gipfel in der westlichen Glockner- und der Granatspitzgruppe war.

Bis 2004 gab es kaum Informationen über dieses Lager, in dem sich Hunderte Häftlinge aus dem KZ Dachau, vorwiegend Belgier und Franzosen, zu Tode arbeiteten. Die SS vermietete sie an die „Reichsbahn“ für den Bau des Kraftwerks Stubachtal-Weißsee, dessen erste Ausbaustufe damals entstand. Die heutige Kraftwerksgruppe gehört den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Nach Jahrzehnten des Verdrängens war am 19. August 2005 erstmals Schluss mit dem Schweigen: Die ÖBB-Manager Martin Huber und Gilbert Trattner sowie Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) enthüllten beim Weißsee eine Gedenktafel für die Opfer des KZ-Außenlagers.

Wesentliche Fakten hat die Salzburger Historikerin Nicole Slupetzky zusammengetragen. „Hier musste nicht vergast werden“, berichtete der ehemalige Häftling Heinrich Fritz, „hier wurde an Hunger, Entkräftung, Kälte und Entbehrungen bei schwerster körperlicher Arbeit gestorben.“ Viele wurden „auf der Flucht erschossen“. So mancher konnte nicht verstehen, warum man hier nicht fliehen konnte: „Sie haben immer geglaubt, wenn es gelingt, über den Berg zu kommen, seien sie gerettet“, erzählte Fritz. Selbst im Winter durften Häftlinge nur die dünne Kluft tragen, die sie auch in Dachau getragen hatten. Darauf wurden weithin sichtbare rote Aufnäher angebracht: „Wie Zielscheiben auch für schlechtere Schützen unter den SS-Leuten.“ Auf den Bergen ringsum waren Stellungen mit Maschinengewehren platziert. Tote wurden laut Ex-Häftlingen von der SS nach Dachau transportiert, wo sie mit den vielen anderen Leichen verbrannt wurden, um keine Spuren zu hinterlassen.

Erst in den letzten Jahren konnten regionale Aktivisten und die Historikerin Nicole Slupetzky eine würdige Erinnerungskultur für die Opfer des KZ-Außenlagers etablieren – mit Unterstützung von Wilfried Holleis aus Zell am See – jenem Investor, der die Rudolfshütte beim Weißsee vom Österreichischen Alpenverein gekauft und in ein modernes Berghotel samt angeschlossenem Skigebiet verwandelt hat. Laut unabhängigen Testern ist das Lift- und Pistengebiet Weißsee eines der preisgünstigsten und familienfreundlichsten der Ostalpen. (gl)

LITERATURTIPPS:

Oskar Dohle, Nicole Slupetzky: Arbeiter für den Endsieg. Zwangsarbeit im Reichsgau Salzburg 1939–1945. Wien, Köln, Weimar 2004.


zurück
weiter
 
   
 
 
Impressum BestellenFeedback Start Stadt Land Inhlatsverzeichnis Suche Czernin Verlag