46. SCHLOSS FISCHHORN

DAS „KREUZ VON LIMOGES“ - RAUBKUNST IM KZ
Das um 1200 entstandene Schloss Fischhorn bei Bruck an der Großglocknerstraße kam in die Schlagzeilen, als 2007 das „Kreuz von Limoges“ wiederauftauchte, das von den Nationalsozialisten im besetzten Polen geraubt und mit anderen Kunstgegenständen ins Pinzgauer Schloss gebracht worden war. Adolf Hitler ließ gegen Kriegsende einen Teil seiner Kunstsammlung aus Berchtesgaden hierherbringen. Doch Fischhorn diente nicht nur als Depot für NS-Raubkunst, sondern auch als Außenlager von Dachau. Die SS setzte hier KZ-Häftlinge für Bauarbeiten ein.
Als im August 2007 ein wertvolles, aus der Zeit um 1200 stammendes und während der NS-Besatzung in Polen enteignetes sakrales Kunstwerk im Salzburger Pinzgau wiederauftauchte, überschlugen sich regionale und internationale Medien mit Meldungen und Reportagen. 2004 hatte in Zell am See eine Frau das „Kreuz von Limoges“ (auch „Europäisches Friedenskreuz“) bei einer Wohnungsauflösung in einem Sperrmüllcontainer entdeckt und nach Rückfrage bei den Wohnungseigentümern mitgenommen. Erst drei Jahre später zeigte sie es einem Nachbarn, der sie darauf aufmerksam machte, dass es sich um ein wertvolles Kunstwerk handeln könnte. Der Kustos des Bergbaumuseums Leogang, bei dem sie Informationen einholte, schaltete die Polizei ein. Das Landeskriminalamt Salzburg nahm Ermittlungen auf und konnte mithilfe des Kunsthistorischen Museums und der Commission for Looted Art in London Details zur Herkunft recherchieren. Bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte das Kreuz zur Kunstsammlung der polnischen Adeligen Izabella Elzbieta von Czartoryski-Dzalinska, die ihre Sammlung 1939 vor der deutschen Besatzungsmacht versteckte. Diese entdeckte 1941 Teile der Sammlung und deponierte die Stücke im polnischen Nationalmuseum Warschau. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands 1944 brachten die Nazionalsozialisten das Kreuz mit anderen geraubten Kunstwerken nach Schloss Fischhorn. Am 6. Mai 2008 wurde es den Erben der Familie Czartoryski-Dzalinska im Rahmen einer feierlichen Zeremonie zurückgegeben.

Doch so unvermittelt und aus heiterem Himmel, wie alle glaubten, kam die Geschichte nicht. Schloss Fischhorn, im Eigentum des peruanischen Gesandten und aus Bremen stammenden Heinrich Gildemeister, lag für die Nationalsozialisten günstig. Die Salzburger Gauleitung und Heinrich Himmler versuchten, Fischhorn zu enteignen, doch da sich die Familie Gildemeister in Peru befand, konnte nicht auf das Schloss zugegriffen werden. Also handelte der Verwalter einen Mietvertrag mit Himmler und der SS aus. Unter der Leitung der Waffen-SS mussten seit September 1944 KZ-Häftlinge aus Dachau in Fischhorn Bauarbeiten durchführen. Gegen Kriegsende ließ Adolf Hitler Kunstwerke aus dem Berchtesgadener Berghof nach Fischhorn bringen, die nach der Befreiung von der US Army beschlagnahmt wurden. Erben der Familie Czartoryski-Dzalinska hatten Anfang der 1950er-Jahre die österreichischen Behörden sowie die US Army um Hilfe bei Nachforschungen gebeten. Diese wussten, dass Teile der Familiensammlung in Fischhorn gelandet waren, doch konnten sie das kostbare Kreuz und andere gesuchte Werke nicht orten. Das war kein Wunder, denn im Chaos während des Zusammenbruchs des Dritten Reichs hatten NS-Funktionäre und die einheimische Bevölkerung im ganzen Land Lebensmittellager und Depots mit wertvollen Kunstwerken geplündert. In Zell am See, dem späteren Fundort des Kreuzes, kam die US Army zufällig auf die Spur anderer Kunstgegenstände, die dem Bundesdenkmalamt übergeben wurden. Die Suche nach der Sammlung der Familie Czartoryski-Dzalinska verlief jedoch im Sand. Ab den 1960er-Jahren flaute das Interesse an Raubkunst ab. Erst das Jahr 1998 mit der Beschlagnahmung des 1938 vom Kunsthändler Friedrich Welz „arisierten“ Werkes „Wally“ von Egon Schiele in New York und dem Bundesgesetz zur Restitution bildete den Auftakt für eine übergreifende Forschungsoffensive in Museen und Sammlungen in Bundesbesitz – auch in Salzburg wurde über Raubkunst und die Folgen diskutiert. Dies führte zur Aufarbeitung der Geschichte der ehemaligen Landesgalerie Salzburg (1942–1944), der Salzburger Landessammlungen, der Rolle von Friedrich Welz und zu einem Beschluss der Salzburger Landesregierung, Museen und Sammlungen in Salzburg mögen sich an die Richtlinien des Bundesgesetzes halten. Es gibt allerdings gegenwärtig immer noch wenige Salzburger Museen, die Provenienzforschung (Herkunftsforschung) betreiben, und wenig Wissen über Depots von NS-Raubkunst in Salzburg. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis es zu weiteren „Sensationen“ kommt, die eigentlich nur Produkte einer gerne ausgeblendeten NS- und Nachkriegsgeschichte sind. (sr)

LITERATURTIPPS:

Susanne Rolinek: Missing Link. Provenienzforschung in Salzburg und die langwierige Suche nach verschwundenen Mosaiksteinchen, in: Gabriele Anderl et al. (Hg.): „… wesentlich mehr Fälle als angenommen“. 10 Jahre Provenienzforschung in Österreich. Wien, Köln, Weimar 2008, S. 310–328.


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