7. FRANZISKANERKLOSTER:
FOLTERKELLER DER NAZIS, ERSTE STIMME DER DEMOKRATIE
Die Sendergruppe „Rot-Weiß-Rot“ (RWR) war mit der RAVAG in Wien Vorläuferin des heutigen Österreichischen Rundfunks (ORF). RWR wurde von der US-Armee mit Studios in Salzburg, Linz und Wien als Gegenpol zur sowjetisch beeinflussten RAVAG gegründet. Schwerpunkte bei RWR waren neben der Berichterstattung die Demokratisierung des öffentlichen Lebens und viel Unterhaltung – u. a. mit Musik aus Amerika, die ein freieres Lebensgefühl vermittelte.
„Hier ist der österreichische Sender Rot-Weiß-Rot!“, sagte der amerikanische General Walter Robertson, als er am 6. Juni 1945 den Rundfunk in Salzburg wiedereröffnete: „Er möge die Österreicher wieder zu einem gut unterrichteten Volk machen.“ Das war nicht nur gegen die Nazis, sondern auch gegen die Sowjets gerichtet, die die RAVAG in Wien und Niederösterreich für stalinistische Propaganda missbrauchten.

Das Salzburger Studio von „Rot-Weiß-Rot“ befand sich im Franziskanerkloster in der Altstadt, wo die Geheime Staatspolizei nach der erzwungenen Räumung im Herbst 1938 ihre Folterkeller und Todeszellen eingerichtet hatte. Der Gestapo-Terror kostete Hunderten Salzburgern das Leben, sie wurden hingerichtet, deportiert oder durch Zwangsarbeit vernichtet. Als Robertsons Worte aus der ehemaligen Gestapo-Zentrale gesendet wurden, hatte das symbolischen Charakter. Natürlich sprach mit Walter Robertson eine subjektive Stimme der USA im beginnenden Kalten Krieg, doch der General wollte die Demokratisierung Österreichs vorantreiben. Direkt nach Kriegsende gab es für die nationalsozialistisch indoktrinierte Bevölkerung sogar Sendungen wie: „Wir lernen denken.“

Radio RWR schaffte es in kurzer Zeit, ein großes Publikum an sich zu binden. Ältere, Traditionalisten und Rechtsradikale waren gegen das stark amerikanisch beeinflusste Musikprogramm, manche Hörer hetzten gegen Jazz und andere Musikformen. Heimische Stars, die in RWR auftraten: Maxi Böhm, Louise Martini, Carl Merz, Helmut Qualtinger, Gerhard Bronner, Hans Weigel, Alfred Böhm, Peter Alexander, Fritz Eckhardt, Hugo Wiener, Marcel Prawy, Karl Farkas, Günther Schifter und Friedrich Torberg – der linke Künstler wie Bertolt Brecht denunzierte und laut dem Literaturwissenschaftler Frank Tichy auch vom US-Geheimdienst Geld kassierte.

Im Salzburger Franziskanerkloster übernahm dann der 1957 gegründete ORF den Sendebetrieb. 1972 wurde im Stadtteil Nonntal das heutige ORF-Landesstudio in Betrieb genommen, das sich der Sendergruppe „Rot- Weiß-Rot“ in guter Tradition verbunden fühlt. (gl)

Literaturtipp:
Ernst Hanisch: Gau der guten Nerven. Die nationalsozialistische Herrschaft in Salzburg 1938–1945, Salzburg, München 1997.

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