10. HAUS DER NATUR
MUSEUM DER VERHINDERTEN ERINNERUNG
Das berühmte „Haus der Natur“ in Salzburg ist ein begehbares Beispiel, wie die Rollen von Naturwissenschaften und Museen bei Verbrechen der Nazis noch immer verschwiegen werden. Der Rassist, Zoologe und SS-Obersturmbannführer Eduard Paul Tratz, Direktor im „Haus der Natur“, arbeitete im Stab von Heinrich Himmler. Und auch der Kriegsverbrecher und Asienforscher Bruno Beger, ein berüchtigter „Rassenkundler“, war in Salzburg am Werk.
Beger richtete 1943 im „Haus der Natur“ die Tibetschau ein, die größtenteils noch heute zu sehen ist – mit Exponaten einer Tibet-Expedition der SS von 1938, an der Beger teilgenommen hatte. Die Dioramen wurden von der Museumsleitung erst 2008 – nach zehn Jahren öffentlicher Kritik – mit einem erklärenden Text versehen. Allerdings werden auf der Zusatztafel weiterhin nationalsozialistische Begriffe wie „rassenkundlich“ und „Rassenanthropologe“ ohne Anführungszeichen verwendet. Bruno Beger wurde 1970 verurteilt – wegen Mitwisserschaft bei einem Massenmord an 86 KZ-Häftlingen. Der hochbetagte Beger hat beste Kontakte: Der Dalai Lama, tibetischer „Gottkönig“ und Träger des Friedensnobelpreises, schweigt beharrlich zu seinen freundschaftlichen Treffen mit ihm. Und das „Haus der Natur“ hat die heißeste Phase seiner Geschichte bis heute nicht aufgearbeitet.

Eduard Paul Tratz war selbsternannter Zoologe ohne Studium, SS-Obersturmbannführer und Mitglied im persönlichen Stab von SS-Reichsführer Heinrich Himmler. Er hetzte in seinem Salzburger Museum und in NS-Publikationen gegen Behinderte, Minderheiten und Juden. Sein Museum sollte Euthanasie, Sozialdarwinismus
und Rassenwahn salonfähig machen. Und Salzburg sollte Zentrum dieser Art von „Naturwissenschaft“ werden. Relikte solcher Ausstellungen waren bis vor wenigen Jahren im Museum zu sehen. Interessanter noch als die Aktivitäten von Tratz ist, wie sein „Erbe“ von Politikern „geschützt“ und von Biologen bis heute verherrlicht wird. Der Museumsgründer hatte es bis zu seinem Tod im Jahre 1977 geschafft, seine Vergangenheit – über alle historischen Bruchlinien hinweg – auszublenden. Akteure in Salzburgs Politik, Beamtenschaft und Medien betreiben bis heute eine Art Personenkult. So schrieb die leitende Historikerin eines amtlichen Archivs 2004 ein Porträt über Tratz, in dem seine führende Rolle als Helfer Himmlers im Ahnenerbe der SS mit keinem Wort erwähnt wird. Dem Nachwuchs der Biologen wird er als Idol präsentiert. Preise und eine Forschungsstation an der Großglockner Hochalpenstraße (1989) wurden nach ihm benannt und nach öffentlichen Protesten wieder umgetauft. Mehrere Salzburger Landesregierungen schützten Tratz gegen Kritik.

2006 gelang es, den öffentlichen Druck auf Museumsdirektor Eberhard Stüber, einen Schüler von Tratz und dessen Nachfolger als Museumsdirektor, zu erhöhen. Stüber arbeitete über Jahrzehnte auch als Ausbilder von Lehrern sowie als Umweltanwalt der Landesregierung. Erst der ehemalige Landeshauptmannstellvertreter Gerhard Buchleitner (SPÖ) schrieb als neuer Chef des Kuratoriums dem „Haus der Natur“ erste Ansätze eines Reformkurses vor. Ob dieser erfolgreich ist, wird sich zeigen. Gefordert sei Stübers Nachfolger Norbert Winding, hört man aus der Landespolitik. (gl)

Literaturtipp:
Gerald Lehner: Zwischen Hitler und Himalaya. Die Gedächtnislücken des Heinrich Harrer. Wien 2006.

Robert Hoffmann: Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS, in: Zeitgeschichte, Heft 3, 35. Jahrgang, Mai / Juni 2008, Seite 154–175.

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