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Das Müllner Bräustübl, eine von Benediktinern aus
Michaelbeuern geführte und seit 1621 bestehende Salzburger
Institution, bekam die kirchenfeindliche
Einstellung der Nationalsozialisten rasch zu spüren.
1940 erteilte die Salzburger NS-Verwaltung ein Verbot,
Bier auszuschenken. Betrieb und Brauerei wurden von
der Gauleitung 1940 zwangsverkauft. Ab 1944 diente
das Bräustübl als Lager für „volksdeutsche“ Flüchtlinge,
ab 1945 waren hier Überlebende des Holocaust untergebracht,
die auf dem Weg nach Palästina und in die
USA in Salzburg gestrandet waren. |
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Die SS-Zeitung „Das schwarze Korps“ hetzte 1939 in Salzburg
gegen Kirchen und Orden, die Wirtshäuser und Brauereien
betrieben, und forderte, dass Bierstuben und Weinkeller von Gastwirten,
Brauern und Weinbauern geführt werden sollten. Gauleiter
Friedrich Rainer forderte daraufhin den letzten Prior von Mülln,
Pater Anselm Eibl, auf, die Leitung der Brauerei abzugeben, und
zwang ihn zum Verkauf. Die Gauleitung veräußerte Brauerei und
Bräustübl im August 1940 um eine Million Reichsmark an Heinrich
Kiener und Alois Fuchs – das Stift erhielt nur 140.000 Reichsmark,
über die es nicht verfügen konnte. Kiener und Fuchs führten den
Brauereibetrieb und den Ausschank bis 1944 weiter. Bomben trafen
im Herbst dieses Jahres das Bräustübl und angrenzende Gebäude,
in denen „volksdeutsche“ Flüchtlinge aus Rumänien und Zwangsarbeiter
für die Brauerei untergebracht waren.
„Am 4. Mai marschierten die Amerikaner in die Stadt Salzburg
und befreiten uns von dem gottlosen Regime“, berichtet die
Müllner Pfarrchronik über die Befreiung. Im Sommer 1945 mussten
die „volksdeutschen“ Flüchtlinge das Quartier räumen, ab Herbst
diente das Bräustübl als Transitlager für Tausende Juden, die den
NS-Terror überlebt hatten und angesichts neuer Pogrome aus den
ost- und südosteuropäischen Ländern in die US-Zonen Deutschlands
und Österreichs strömten. Sie wollten weiter nach Palästina und in
die USA. Zwischen 1945 und 1955 hielten sich ungefähr 250.000
bis 300.000 jüdische Flüchtlinge in der US-Zone Österreichs auf –
manche kürzer, manche länger. Salzburg war Transitknotenpunkt
und Zwischenstation. Marko Feingold, ein aus Wien stammender
und im KZ Buchenwald befreiter Jude, organisierte in Zusammenarbeit
mit der US Army und internationalen Hilfsorganisationen die
Versorgung der Flüchtlinge. Diese wohnten zu Hunderten in den
Sälen des Bräustübls, die mittels Decken und Planen in Kojen unterteilt
waren. Als 1946 alle Salzburger Lager überfüllt waren, planten
Feingold und die illegale jüdische Fluchtorganisation „Brichah“
Transporte nach Deutschland und Italien, um die Situation zu
entspannen. Feingold trat an die Salzburger Landesregierung heran
mit der Bitte, sie möge doch Lastwagen für dieses Vorhaben zur
Verfügung stellen. Die Antwort fiel ablehnend aus, doch Feingold
ließ nicht locker: „Entweder ich bekomme die Lkws oder die Juden
bleiben da!“ Auf einmal war die Landesregierung kooperativ. „Ah,
wenn das so ist, Herr Feingold, wie viele Lastautos brauchen Sie
denn? Sie können haben, was Sie wollen.“
Die jüdischen Flüchtlinge in Salzburg lebten in dem Bewusstsein,
nur geduldet zu sein. Von 1947 bis 1949 betrieb die jüdische Organisation
ORT (Organization for Rehabilitation through Training) im
Bräustübl eine Berufsschule, in der Erwachsene und Jugendliche mit
unterbrochener Ausbildung neue Berufe erlernen konnten. Unterdessen
bestellte die US-Militärregierung den Müllner Stadtpfarrer
und ehemaligen Prior Anselm Eibl als kommissarischen Verwalter
des Bräustübls und der Brauerei. Eibl wollte den Zwangsverkauf von
1940 rückgängig machen, doch das Stift Michaelbeuern verfügte
nicht über genügend Kapital, um Kiener und Fuchs auszuzahlen.
Das Stift schloss mit diesen einen Vergleich und gründete mit ihnen
eine Gesellschaft. Im Juni 1949 öffnete das Bräustübl wieder seine
Pforten, mittlerweile ist es die größte Biergaststätte Österreichs und
auch bei Touristen ein Fixpunkt im Salzburgprogramm. (sr) |
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Harald Waitzbauer: 375 Jahre Augustiner Bräu Kloster Mülln. Das
Bräustübl in Salzburg. Geschichte und Geschichten über den Zeitraum
1521–1996. Salzburg 1996.
Susanne Rolinek: Zufluchtsort und Zwischenstation. Flüchtlingsalltag
im Salzburg der Nachkriegszeit, in: Salzburg Archiv. Schriften des
Vereins Freunde der Salzburger Geschichte, Band 30. Salzburg 2005,
S. 279–302. |
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