13. „ANTIFASCHISMUS-MAHNMAL“
DAS BETONIERTE TAUBEN-KLO
Wie schwierig es ist, funktionierende Orte der Erinnerung zu schaffen, zeigt das Schicksal des sogenannten „Antifaschismus-Mahnmals“ vor dem Hauptbahnhof in Salzburg. Ob dieses der Erinnerung an die Opfer der Nazis dient oder nicht, mögen Besucher selbst entscheiden. Als Toilette für Taubenschwärme und Regenschutz für Obdachlose bewähre sich das betonierte „dreibeinige Autobus-Wartehäusl“ (Volksmund), sagen Kritiker.
Das aus rein künstlerischer Sicht gut argumentierbare Konzept dieses „Mahnmals“ erscheint im alltagskulturellen Umfeld vor dem Salzburger Hauptbahnhof als fragwürdig, wenn nicht gar nutzlos oder kontraproduktiv. Bei der Einweihung 2002 gab es noch großes Medieninteresse und Sonntagsreden von Politikern. Mittlerweile sind die meisten der damals noch zuhörenden Zeitzeugen und Opfer des Nationalsozialismus im hohen Alter verstorben. Und nun zeigt sich, dass die Funktion dieses leblosen „Mahnmals“ schon nach wenigen Jahren erlahmt. 300 Entwürfe aus mehreren Erdteilen waren bei einem von der Stadtpolitik initiierten Wettbewerb (2001) eingereicht worden. Die Jury wählte aus 88 Finalisten das realisierte Projekt aus.

Lautere Motive, die hinter dem siegreichen, dreibeinigen Unterstand aus Beton von Heimo Zobernig (Wien) stehen, sollen hier nicht bezweifelt werden. Das Projekt ist offenbar bewusst als eine Art Wartehäuschen konzipiert. Die Dachplatte wird von nur drei Pfeilern getragen. Der fehlende vierte soll Betrachter irritieren und zugleich jene Opfer symbolisieren, die vom Nationalsozialismus aus der Gesellschaft heraus ermordet wurden. Was diese Lösung im Alltag unbrauchbar und praktisch rätselhaft macht, ist der in die Unterseite der Dachplatte eingravierte Erinnerungstext für die Opfer. Wer ihn lesen will, muss in den Unterstand hineingehen und sich den Hals verrenken.

Beobachtungen zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten haben gezeigt: Es liest diesen Text so gut wie niemand, der/die nicht thematisch mit dem „Mahnmal“ vertraut ist, nicht von Eingeweihten hierhergeführt wurde oder sich nicht zuvor eingelesen hat. Ein kunst- oder geschichtspädagogisches Konzept der Stadt Salzburg oder ihrer offiziellen Museen für den Ort existiert nicht. Nur der Historiker Gert Kerschbaumer, international bekannter Biograf von Stefan Zweig, organisiert gelegentlich Führungen – auf ehrenamtlicher Basis. Ahnungslose Passanten sind uninteressiert bis gleichgültig, was angesichts von Design und Form nicht verwundert. Kaum jemand nimmt den grauen Bau im Alltag wahr, obwohl täglich Zehntausende Pendler den gegenüberliegenden Hauptbahnhof frequentieren.

Gefördert hat das in den letzten Jahren auch die Salzburger Stadtplanung. Sie ließ das „Mahnmal“ – bewusst oder unbewusst – in einem sonderbaren Laubbaumwäldchen auf dem architektonisch insgesamt gedrängten Bahnhofsvorplatz „verschwinden“. Das erleichtert diskret eine praktische Nutzung, wenn Betrunkene, Obdachlose und so manche Kleindealer in der Nacht ihre Notdurft an einer drei Betonsäulen verrichten. Neben den vielen Tauben, die hier wohnen, im Hochsommer den Schatten der Dachplatte suchen und ihre Stoffwechselprodukte auf dem Salzburger „Antifaschismus-Mahnmal“ abladen. Vollzieht sich an diesem gutgemeinten Bauwerk nun ungewollt doch noch ein Wille der Nazis? Erinnerung als Bedürfnisanstalt?

So manchen tut es in der Seele weh, wenn sie die offizielle Broschüre „Antifaschistisches Mahnen und Gedenken in Salzburg“ zur Hand nehmen, in der die Stadt Salzburg den Wettbewerb darstellt. Die Projekte der 88 Finalisten sind darin genau beschrieben, mit einigen Ansätzen, die praxisnahe und künstlerisch sind – für demokratisch-historische Reflexion und Förderung von Mitgefühl. Moderne Medienkunst, Ansätze jüngerer Kreativer und zukunftsweisende Kombinationen verschiedener Disziplinen hatten bei der Auswahl offenkundig weniger Gewicht. Der Altersschnitt der Jury war relativ hoch. Sie bestand aus Hanns Haas (Historiker der Uni Salzburg), Gerd Müller (Leiter des städtischen Hochbauamtes), Udo Heinrich (Architekt, Köln) und zwei Kunstexperten: Barbara Wally (Internationale Sommerakademie, Salzburg) und Friedhelm Mennekes (Theologe und Kunstwissenschaftler, Braunschweig).

Angesichts verunglückter „Mahnmale“ gibt es international seit Jahren eine vielschichtige Diskussion: Wie lässt sich Erinnerungskultur verankern? (gl)

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