 |
 |
|
|
„Das Dritte Reich wollte nach außen hin eine heile Welt
simulieren und frisierte Mozart ungeniert zum süßlichen
Rokoko-Apoll“, sagte Nikolaus Harnoncourt im
Mozartjahr 2006. Die liebliche Art, Mozart zu spielen,
sei in der Nachkriegszeit eine Kontinuität des Faschismus
gewesen. Tatsächlich kam Mozart den Nazis recht:
1941 veranstalteten sie in Salzburg und Wien die „Mozartwoche des Deutschen Reiches“ – Mozart war die
Antithese zum „jüdischen Bolschewismus“. |
|
Wolfgang Amadeus Mozart wurde nicht nur von den Nazis,
sondern von allen politischen Systemen instrumentalisiert.
Diese Verehrung fand ihren Ausgangspunkt im Mozartkult des
frühen 19. Jahrhunderts. In der NS-Zeit kam Mozart gleich zweimal
zu Filmehren, in Leopold Hanischs „Eine kleine Nachtmusik“ (1940)
und in Karl Hartls „Wen die Götter lieben“ (1942) mit Hans Holt
nach einer Novelle von Richard Billinger. Auch wenn Mozart in
beiden Filmen nicht betont nationalistisch dargestellt ist, wurde
er als deutscher Sohn völkisch heimgeholt (tatsächlich war Mozart
weder Deutscher noch Österreicher, sondern Salzburger) und zum
„heroischen Menschen“ stilisiert. „Wenn auf irgendwen, dann
passt auf sein Werk das Wort, dass deutsch sein klar sein heiße“,
sagte Goebbels. Reichsleiter Baldur von Schirach meinte anlässlich
der Eröffnung der Mozart-Woche: „Arme Welt, die auf englische
oder amerikanische Musik angewiesen wäre!“ Das „Neue Wiener
Tagblatt“ resümierte: „Wer für Deutschland das Schwert zieht,
zieht es auch für ihn. Mozart ist zum Bekenntnis geworden!“
Als „deutsch“ galten Mozart, Bach, Haydn, Schubert und der
von Hitler verehrte Wagner. „Undeutsch“ und damit verboten
waren Felix Mendelssohn Bartholdy, Gustav Mahler und „Entartete“
wie Arnold Schönberg, Kurt Weill oder Igor Strawinsky. Demzufolge
eröffnete auch Mozarts „Don Giovanni“ mit Karl Böhm die
„arisierten“ Salzburger Festspiele 1938 vor Naziprominenz. Böhm
„beerbte“ den von den Nazis vertriebenen Bruno Walter, der Mitte der
1920er-Jahre Mozart überhaupt erst in das Programm der Festspiele
eingebracht hatte. „Rassenkundliche“ Nachforschungen brachten
jedoch zutage, dass Mozarts Librettist Lorenzo da Ponte jüdischer
Abstammung und damit die Reinheit des Kulturguts in Gefahr war.
So musste Hitler ein Machtwort sprechen, um „Cosi fan tutte“, „Don
Giovanni“ und den „Figaro“ aufführungsfähig zu halten.
Während des Krieges war die Kunst „Bestandteil der Wehrgemeinschaft“,
sie hatte die Menschen zu trösten und zu unterhalten.
Dass der 150. Todestag Mozarts 1941 mit den größten Erfolgen
der Wehrmacht in Russland zusammenfiel, konnte dem Regime nur
recht sein. „Mozarts Musik“, so Goebbels, „klingt allabendlich über
Heimat und Front und gehört mit zu dem, was unsere Soldaten gegen
den wilden Ansturm des östlichen Barbarentums verteidigen.“
„Mozarts Musik denkt und fühlt deutsch“, verstieg man sich
während der Kriegsfestspiele 1939. Mozart sei „die gelungenste
Symbiose zwischen Blut und Boden“, weshalb die Mozart-Spiele
„Weihefeste deutscher Gesinnung“ seien. Mozart war somit oberster
Repräsentant deutscher Kultur. Der Gauleiter opferte in Mozarts
Geburts- und Wohnhaus, das mit NS-Symbolen ausstaffiert worden
war, einen Kranz. HJ und BdM umringten das Mozart-Denkmal.
In der Mozart-Forschung geriet man zur Erkenntnis, dass Mozart
„nordisch-dinarische“ Züge aufwies.
Im selben Jahr feierte das Mozarteum das 100. Jahr seiner
Gründung. Das Konservatorium war 1939 zur „Reichshochschule
für Musik – Mozarteum – in Salzburg“ umgewandelt worden.
Künstlerischer Leiter wurde Münchens Staatsopernchef Clemens
Krauss, zugleich künstlerischer Direktor und Intendant der Festspiele,
HJ-Komponist Cesar Bresgen führte die neue „Musikschule
für Jugend und Volk“.
Mozarts Weisen erklangen auch zwischen den Baracken in
Birkenau auf den Instrumenten des Mädchenorchesters zur Ablenkung
der Massenmörder und Tröstung der Todgeweihten. Und es
war wiederum eine Mozart-Oper, „Die Entführung aus dem Serail“,
die die ersten freien Festspiele nach dem Krieg am 15. August 1945
eröffnete. (cs) |
|
|
Wolfgang Freitag: Amadeus. Mozart im Film. Wien 1991.
Max Becker, Mozart-Vereinnahmung in der Nazi-Zeit. Propagandistische
Darstellungen der Wiener Feierlichkeiten von 1941, in: Rudolph
Angermüller et al. (Hg.), Bericht über den Internationalen Mozart-Kongress
Salzburg 1991 (Mozart-Jahrbuch), Kassel u.a. 1992, S. 1000-1004. |
|
|
|
|
|
|
|
|