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Stefan Zweig (1881–1942) lebte von 1919 bis 1934 in Salzburg. Er gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern Österreichs, obwohl seine Werke von der Kritik
nicht immer entsprechend wahrgenommen wurden. Im
Gegensatz zu vielen anderen Exilautoren ist Zweig in
Salzburg nicht vergessen: Hier befindet sich der Sitz der „Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft“, die in der
Edmundsburg das „Stefan Zweig Centre“, eine Forschungs- und Begegnungsstätte im paneuropäischen
Sinne Zweigs, betreibt. |
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Die beschauliche Ruhe der Provinzstadt Salzburg und eine
gewisse Großstadtmüdigkeit veranlassten den Schriftsteller
Stefan Zweig, sich in Salzburg niederzulassen. 1919 bezog er das
zwei Jahre zuvor erworbene desolate Paschingerschlössl auf dem
Kapuzinerberg (Nr. 5) und heiratete Friderike Maria von Winternitz.
In seine Salzburger Periode fallen Zweigs wichtigste Schaffensjahre:
Hier schrieb er unter anderem „Amok“, „Verwirrung der Gefühle“,
„Der Flüchtling“, „Marie Antoinette“, „Baumeister der Welt“ und
sein bekanntestes Buch „Sternstunden der Menschheit“. Zweig war
einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Er pflegte Kontakte zu
bekannten Persönlichkeiten, etwa Romain Rolland, dessen Pazifismus
und Eintreten für die Völkerverständigung er übernahm, Rainer
Maria Rilke, James Joyce, Sigmund Freud und Arthur Schnitzler. Sein
Haus, die „Villa in Europa“ (Romain Rolland), wurde zum Treffpunkt
der literarischen Elite, ein wahrlich „europäisches Haus“: H. G. Wells,
James Joyce, Franz Werfel und Thomas Mann gingen ein und aus.
Zweig sah die Gefahr des Nationalsozialismus nicht sofort,
obwohl ihm Joseph Roth im Februar 1933 schrieb, „unsere literarische
Existenz ist ja vernichtet“: „Machen Sie sich keine Illusionen.
Die Hölle regiert.“ Im März 1933 brannten seine Bücher. Der Insel-
Verlag schickte ihm die Kündigung. Goebbels schimpfte über den
„Juden Zweig“. Der „Arbeiterdichter“ Loisl Aigner lud ihn zum
Suizid ein: „Es stehn am Mönchsberg viele Bäume / gar lockend
und auch mancher starker Ast / zu enden geiler Dichter Träume
/ sie laden Stefan Zweig zu Gast“. Nach Böller- und Steinwürfen
und anonymen Drohungen lief Anfang 1934 das Fass über, als die
Polizei Maschinengewehre des Republikanischen Schutzbundes im
Haus des Pazifisten Zweig vermutete und dort Nachschau hielt. Mit
dem Abschied von Salzburg begann sein „drittes“ rastloses Leben,
von London bis Brasilien, wo er, von den „langen Jahren heimatlosen
Wanderns“ erschöpft, eine Überdosis Tabletten nahm. Seit
1945 wurden zwölf Millionen Bücher in deutscher Sprache verkauft,
seine Werke in 56 Sprachen übersetzt.
Zweigs Wohnhaus ist in Privatbesitz und darf nicht betreten
werden – es darf nicht einmal eine Gedenktafel angebracht werden.
1956, zu Zweigs 75. Geburtstag, lief im Salzburger Gemeinderat eine
Schmierenkomödie ab, als sich „christliche“ Abgeordnete weigerten,
den Passionsweg zum Schlössl „nach einem Juden“ (noch dazu
einem Selbstmörder) zu benennen. Der „Kompromiss“ bestand
darin, erst den „nach dem Kruzifix“ in den Wald führenden Weg
nach Zweig zu taufen. Damit wurde der Weg ohne Häuser (bis zur
Revidierung 1995) ungewollt zum Mahnmal für Verbohrtheit und
Intoleranz. Friderike Zweig musste mit der Republik noch jahrelang
um die beschlagnahmten Manuskripte und Vermögenswerte streiten.
Ein Bild tauchte im Salzburger Dorotheum zur Versteigerung auf.
Bemerkenswert ist auch, dass die ehrenwerte Salzburger Familie
Gollhofer, die das Haus erwarb, ein Drittel des Kaufpreises nicht an
Zweig, sondern 1942 an die NS-Finanzverwaltung zahlte, die dieses
Geld als „Schulden“ einbehielt. 2008 wurde in der Edmundsburg
auf dem Salzburger Mönchsberg das internationale Forschungszentrum
„Stefan Zweig Centre Salzburg“ eröffnet. (cs) |
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Gert Kerschbaumer: Stefan Zweig. Der fliegende Salzburger. Frankfurt
2005. |
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