Vor dem Haus Linzer Gasse 5 wurde 2007 das internationale
Projekt „Stolpersteine“ auch in der Stadt Salzburg
gestartet. Beschriftete und kunstvoll gefertigte Pflastersteine
erinnern an Bürger, die von den National-
sozialisten verschleppt und ermordet wurden. 2007
wurden 26 „Stolpersteine“ im Boden verlegt, 2008
kamen elf weitere hinzu. |
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Ausgerechnet vor jenem Haus, in dem heute eine deutschnationale
Burschenschaft untergebracht ist, begann dieses
umfangreiche Projekt zum Gedenken an Salzburger Familien und
Personen, die ab 1938 dem Rassen- und Minderheitenhass sowie
der politischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten zum Opfer
fielen, vertrieben und ermordet wurden. Am Morgen des 22.
August 2007 verlegte der Künstler Gunter Demnig in der Linzer
Gasse 5 die ersten drei „Stolpersteine“, sie erinnern an Ernst, Ida
und Herbert Löwy. Die jüdische Familie war hier bis 1938 eingemietet,
ehe sie von der Gestapo verhaftet wurde. Alle drei starben
in Auschwitz.
Insgesamt 70 Salzburger Opfer
Das Haus Linzer Gasse 5 gehörte der jüdischen Familie Fürst und
wurde 1939 von Josef Falkensteiner „arisiert“, das heißt zum
Spottpreis „übernommen“ – mit dem Segen der NSDAP. Nach dem
Krieg kam es zu keiner Rückstellung an Nachkommen der rechtmäßigen
Besitzer. Es gab nur einen außergerichtlichen Vergleich. Von
284 Juden, die beim „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland
noch in Salzburg lebten, kamen 50 in der Mordmaschinerie der
Nationalsozialisten ums Leben. Rechnet man jene dazu, die schon
vor 1938 geflohen sind, waren es rund 70 Salzburger. Auch Marko
Feingold ist bei den „Stolperstein“-Verlegungen dabei, der betagte
und noch immer sehr rüstige Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde
in Salzburg hat den Holocaust als KZ-Häftling überlebt.
Weitere „Stolpersteine“, die bei der ersten Aktion im August 2007
in Salzburg verlegt wurden:
• Anna Maria Wahl, Sattlergasse 7
• Heinrich Schönberg, Chiemseegasse 6/1 (Bruder des Komponisten
Arnold Schönberg)
• Michael Chartschenko, KZ-Häftling (von der SS im Volksgarten
ermordet)
• Antonia Krems, Maria Kendlbacher (aus dem Lager für Sinti und
Roma, Schwarzgrabenweg / Maxglan)
• Anna Wegscheider, Josef Wegscheider, Franz Mittendorfer, Landstraße
15
• Anton Schubert, Stadlhofstraße 8
Stand 2008: 37 „Stolpersteine“ verlegt
Im August 2008 kamen zu den 26 „Stolpersteinen“ weitere elf
dazu. Als erste Landeshauptstadt und achte Kommune Österreichs
beteiligt sich Salzburg an diesem Projekt. Der Kölner Künstler
Gunter Demnig verlegt dabei in mehr als 260 europäischen Städten
solche Steine. 2008 hatte er die Gesamtzahl von 13.000 schon
überschritten. In Salzburg hat sich dazu ein Personenkomitee
konstituiert, dem mehr als 100 Mitglieder aus verschiedensten
gesellschaftlichen Bereichen angehören. Ein „Stolperstein“ kostet
93 Euro, und es werden noch Paten für weitere Steine gesucht. Für
Historiker ist die Suche nach Spuren der Toten nicht einfach. Zum
Beispiel wurden Matrikelbücher der Israelitischen Kultusgemeinde
von den Nationalsozialisten geraubt, sagt der Historiker Gert
Kerschbaumer. Über verschiedene andere Archive habe er schließlich
doch die Spuren verfolgen können.
Das Projekt bekommt immer mehr Unterstützung, von Stadt
und Land Salzburg, auch von Hauseigentümern und von heutigen
Mietern jener Häuser, aus denen die Opfer des NS-Regimes einst
vertrieben wurden. Eines ist das Haus Rainerstraße 4, gegenüber
dem Kongresshaus. Hier wohnte die jüdische Familie Bonyhadi:
Rechtsanwalt Ernest Bonyhadi ist zur „Stolperstein“-Verlegung
extra aus dem US-Bundesstaat Oregon angereist. Er hatte sich
1938 als einer der wenigen noch rechtzeitig retten können. Sein
Großvater Daniel, Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde in
Salzburg, starb in Wien. Die Onkel Ludwig und Edgar wurden in
Konzentrationslagern der Nationalsozialisten im besetzten Polen
ermordet, seine Tante Gertrude 1944 im KZ Bergen-Belsen.
Die vier „Stolpersteine“ im Gehsteig vor dem Haus erinnern
jetzt an die Toten. Und die Steine kommen nach Ansicht von Ernest
Bonyhadi nicht zu spät: „Vielleicht hätte es früher geschehen
können. Aber ich bin froh, dass es jetzt so gekommen ist. Man
kann die Vergangenheit nicht zurückdrehen.“ Revanche-Gedanken
sind dem Amerikaner fremd, denn Österreichs jüngere Generationen
hätten dazugelernt: „Das ist sehr ermutigend.“ In demselben
Haus wird an zwei weitere Opfer erinnert; eine jüdische Händlerin
und einen Richter, der Nazi-Terroristen und -Putschisten verurteilt
hatte, die schon im Juli 1934 versucht hatten, den österreichischen
Staat zu zerstören.
Die „Stolperstein“-Aktion zieht laut Ingeborg Haller vom Personenkomitee
mittlerweile weite Kreise. So sind viele erst dadurch auf
NS-Opfer in ihren Wohnhäusern aufmerksam geworden. Ein aktuelles
Verzeichnis aller Salzburger „Stolpersteine“ und ihre Lage(n)
finden Sie im Internet – URL siehe unten. (gl) |
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