20. VILLA TRAPP

HAUS DES HIMMELS UND DER HÖLLE
Eine stattliche Villa in Salzburg-Aigen in einem großen Park mit alten Bäumen: In diesem geschichtsträchtigen Haus lebten die weltberühmte Familie von Trapp und kurz darauf einer der größten Schlächter der Menschheitsgeschichte, der Reichsführer SS Heinrich Himmler. Der Schauplatz, der seit 50 Jahren Besucher des Films „The Sound of Music“ auf der ganzen Welt begeistert, war auch jener Ort, an dem die systematische Ermordung von Millionen Menschen in Europa geplant wurde.
Einen Einblick in die schmucke Villa zu erlangen, ist nicht leicht, umgibt doch eine riesige Mauer das weitläufige Areal. Den Augen der Welt sollte verborgen bleiben, welche heimtückischen Pläne der „Bluthund Europas“, ausheckte. 20 Jahre zuvor war die Familie Trapp hierhergezogen.

Die Geschichte der Familie Trapp reicht weit in die k. k. Monarchie zurück: Der hochdekorierte Korvettenkapitän der Kriegsmarine, Georg Freiherr von Trapp (geb. 1880 in Zadar/Dalmatien), verheiratet mit Agathe Whitehead, Tochter des Erfinders und Erzeugers des U-Boot-Torpedos, wohnte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Hauptmarinehafen Pula. Während Trapp auf See war, wohnte Agathe mit den Kindern im Sommerhaus ihrer Mutter in Zell am See. Mit dem Ende der kaiserlichen Marine 1918 – mit dem Verlust der Küstenprovinzen hatte Österreich keine Marine mehr – verlor Baron von Trapp seinen Beruf; er kaufte das Haus der Gräfin Lamberg in Aigen für seine Familie mit nun sieben Kindern.

Der Abschied von seinem geliebten Beruf hatte Baron von Trapp schwer getroffen, nun verlor der Vater von sieben Kindern auch noch seine Frau: Agathe von Trapp starb mit 31 Jahren. Zwei Jahre nach dem Kauf der Villa Trapp in Aigen kam Maria Kutschera, „Fräulein Gustl“, als Hauslehrerin zur Familie. Maria, eine aus Wien stammende Vollwaise, war ausgebildete Lehrerin und kurz zuvor als Novizin ins Kloster Nonnberg eingetreten. Sie war streng und autoritär, um den Lernerfolg ihrer Schützlinge bemüht, lebhaft und freiheitsliebend. Georg von Trapp hatte geplant, Prinzessin Yvonne, eine entfernte Cousine seiner verstorbenen Frau, zu ehelichen. Doch es kam anders. Aus den 240 Tagen „zur Leihe“ wurde ein ganzes Leben. 1927 heirateten Georg und Maria in der Stiftskirche ihres Klosters. Zwei weitere Kinder, Eleonore und Rosemarie, kamen hinzu. Dann traf die Familie der nächste Schicksalsschlag: Ihre Bank ging in Konkurs und das gesamte Vermögen war verloren. „Gottes Wille zu erforschen und aus ganzem Herze anzunehmen“, war ihr Leitmotiv für ihr Leben.

Doch in dieser Situation „öffnete Gott ein Fenster“: Die Opernsängerin Lotte Lehmann entdeckte das Talent der Familie im Chorgesang und schlug sie für den Sängerwettbewerb der Salzburger Festspiele vor, den sie prompt gewannen. Bald sicherten die Auftritte den Familienunterhalt. Der junge Prälat Franz Wasner schuf, anfangs gegen den Willen des Barons, als musikalischer Leiter den „Salzburger Kammerchor Trapp“ und bereiste mit ihm ganz Europa.

Die Trapps saßen gerade in der Bibliothek, als Bundeskanzler Schuschnigg, für den die Familie gesungen hatte, im Radio den „Anschluss“ verkündete. Dann kam Hausdiener Hans herein und verkündete, seit langem illegales Parteimitglied der NSDAP gewesen zu sein. So kamen gleich mehrere Gründe zusammen, die Heimat zu verlassen: Niemals würden die Trapps auf der Bühne mit Hitlergruß singen, Monsignore Wasner würde Probleme bekommen – als Redakteur war er den Nazis schon „unangenehm“ aufgefallen –, von den Kindern würde Rupert als Arzt die Stelle eines mit Berufsverbot belegten oder verschleppten jüdischen Arztes übernehmen müssen, Georg hielt die Einberufung zur Marine in der Hand. Die Trapps weigerten sich, ihr Haus mit Hakenkreuzfahne zu beflaggen, und schlugen vor, stattdessen die Teppiche beim Fenster herauszuhängen. Antworten wie diese kosteten anderen das Leben.

Als überzeugte Österreicher und Gegner von Adolf Hitler verließen die Trapps Salzburg und kehrten 1939 von einer USA-Tournee nicht mehr zurück. Es folgten bis 1956 insgesamt 19 Konzertreisen durch die Staaten. 1942 kaufte die Familie eine Farm in Vermont, die zu einem Tourismusbetrieb ausgebaut wurde. 1947 starb der Baron. In Zusammenarbeit mit dem in Salzburg stationierten Generalmajor der US-Armee Harry Collins gründeten die Trapps die Hilfsorganisation „Trapp Family Austrian Relief Inc.“ und unterstützten viele notleidende Familien in Österreich.

1939 hatten die Brüder des Ordens „Missionare vom kostbaren Blut“ die Villa in Aigen gemietet und bezogen. Ein Jahr später, im Juli 1940, beschlagnahmte das NS-Regime den Besitz und stellte ihn Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Hauptverantwortlicher für den Holocaust, zur Verfügung. Im stacheldrahtumzäunten Garten wurden sieben Baracken für die SS-Wachmannschaften errichtet. Ein von Himmler errichtetes Gebäude, die sogenannte „Funkbaracke“, steht heute noch. Auch das nahe Schloss Aigen wurde vom „Reichsarbeitsdienst“ beschlagnahmt.

In Aigen wohnte Himmler oft dann, wenn Hitler auf dem Obersalzberg war. Er besaß weiters ein Haus in Berlin-Dahlem, hatte seine Frau Marga in Gmund am Tegernsee „geparkt“ und für seine „Zweitfrau“, seine Sekretärin Hedwig „Häschen“ Potthast, und deren gemeinsame Kinder heimlich in Schönau am Königssee das „Schneewinkellehen“ ausgebaut, in dem schon Sigmund Freud Urlaub gemacht hatte (und das laut Martin Bormann in der Mansarde Himmlers Sammlung von aus menschlichen Knochen und Haut geformten Möbelstücken beherbergte).

Einer der Hausbediensteten erzählte, dass für den Bau der Mauer angeblich Zwangsarbeiter herangezogen wurden, die nach vollbrachtem Werk allesamt erschossen wurden. Dafür gibt es aber keinen Beleg. Überhaupt ranken sich zahlreiche Legenden um das bewehrte Fort, in das sich die Villa verwandelt hatte. Eine New Yorker Boulevardzeitung wusste 1945 von einer Renovierung um 150.000 Dollar inklusive Klimaanlage, Marmorbädern und einer Suite für Adolf Hitler zu berichten. Vieles davon war pure Erfindung. Dennoch hielten sich viele Legenden hartnäckig. Eine davon erzählte von einem Besuch Hitlers bei Himmler, im Zuge dessen sich die Chargen und Fahrer die Zeit im Park vertrieben. Einer soll ein russisches Volkslied gepfiffen haben, was Hitler, der dies durch das Fenster hörte, so erboste, dass er alle Subalternen im Hof erschießen ließ. Gelegentlich wurden solche Geschichten gezielt von den Geheimdiensten in Umlauf gesetzt, um die Verderbtheit des Regimes zu untermauern. Wie man später erfuhr, hätten die realen Verbrechen ausgereicht, um einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

Himmler, der Bauherr der Konzentrationslager, bestand stets darauf, sich die Massenmorde persönlich vorführen zu lassen. Bei einer Massenerschießung von Frauen und Kindern, bei der Gehirnmasse der Opfer auf seinen Mantel spritzte, versagten seine Nerven und er übergab sich vor dem Erschießungskommando. Dieses Erlebnis hatte verhängnisvolle Folgen: Himmler ordnete an, ab sofort nur mehr Gas einzusetzen – nicht wegen der Leiden der Opfer, sondern um die Nerven der Mörder zu schonen und die Vernichtung zu beschleunigen. Damit waren der Massenvernichtung mit Zyklon B die Tore geöffnet. Himmler war auch für die „Tötung lebensunwerten Lebens“ und für die abscheulichen Menschenversuche in Konzentrationslagern verantwortlich, in denen zum Zwecke der „wehrmedizinischen Forschung“ Häftlinge am ganzen Körper mit Lost verbrannt, in Druckkammern erstickt, in „Trockenfrierversuchen“ bei lebendigem Leib eingefroren, mit Bakterien verseucht, ihre Gliedmaßen mit Hämmern zu Brei zerschlagen wurden.

Es ist eine schauderhafte Vorstellung, dass in den Räumen des obersten Stockwerks der Villa in Aigen, Himmlers Privatquartier, die Ermordung von Millionen Menschen geplant wurde. Um dabei ungestört zu sein, ließ er sich ein abhörsicheres Zimmer einrichten. Für sich und seine Vasallen hatte er in Aigen für den Fall von Luftangriffen vorgesorgt: Erst 1999 wurde ein Luftschutzbunker der SS unter der Ferdinand-Raimund-Straße entdeckt. Himmlers SS-Garde bezog in der Kapelle Quartier. Die Chargen vertrieben sich in dem sakralen Raum unter anderem mit Kegelspielen die Zeit. In die Holzträger schnitzten sie Hakenkreuze und Runen.

Am 29. April 1942 richteten sich die Augen der Welt auf die Villa Trapp: Der „Duce“, Adolf Hitler und Heinrich Himmler trafen mit großem Gefolge ein. Der flugängstliche Mussolini war mit dem Zug aus Italien angereist und in Aigen ausgestiegen. Zu Fuß marschierte der Tross zur Villa. SS-Männer patrouillierten Tag und Nacht auch um die Nachbarhäuser – eine bedrückende Atmosphäre. Die Gestapo setzte Spitzel ein, die in den Nachbarhäusern „Volksfeinde“ auszuforschen versuchten, um diese zu verhaften, ins KZ zu verschleppen und die Häuser für Günstlinge Himmlers zu beschlagnahmen.

Ab März 1943 wurde die Villa insofern „aufgewertet“, als Himmler seine „Feldkommandostelle“ nach Aigen verlegte. Die Lage an der Ostfront und der Rückzug Hitlers auf den Obersalzberg machten dies nötig.

Himmlers Geheimbündlerei und Neigung zum Okkultismus hat zahlreiche Verbindungen zu Salzburg. Sein intimster Berater war der in Salzburg lebende Karl Maria Wiligut (1866–1946), „der Rasputin Himmlers“. Dieser war davon überzeugt, direkt vom vorgeschichtlichen Volk der Asen abzustammen und hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. Er beriet Himmler in Astrologie und wurde SS-Gruppenführer unter dem Decknamen „Weisthor“. Wiligut erfand den SS-Totenkopfring, Runen und Insignien und beeinflusste Himmler maßgeblich in okkulten Dingen. In Salzburg hatte Wiligut den Antisemitenbund gegründet und eine Zeitung, den „Eisernen Besen“, der mit dem Stürmer darum geiferte, wer noch tollkühner mit Worten auf die Juden einschlug. Wiliguts Hassprosa hatte verheerende Auswirkungen auf die ansässige Judenschaft.

Himmler ernannte ihn zum Abteilungsleiter im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS in München. Als bekannt wurde, dass er die Zeit von 1924–1927 in der Salzburger Nervenheilanstalt verbracht hatte, musste sich Himmler offiziell von ihm trennen, er beschäftigte ihn aber weiter inoffiziell als Berater. Er unterstützte Himmler darin, die SS zu einem männerbündlerischen Neuadel auszuformen, der eine Zuchtelite bilden sollte. Wiligut kehrte 1945 noch einmal nach Salzburg zurück und starb 1946.

Himmlers esoterische Auswüchse kannten keine Grenzen: Er hielt sich für eine Reinkarnation Heinrichs I., der die Slawen an der Okkupation Deutschlands gehindert hatte, und war davon überzeugt, das untergegangene Land der nordischen „Superrasse“, Atlantis, wiederzufinden. Er schickte SS-Trupps in die spanischen Burgen, um die Blutschale Jesu, den Heiligen Gral, zu suchen. Der Untersberg, auf den er von seinem Arbeitszimmer aus blickte, würde in Fortschreibung der jahrhundertealten Sage zum Ausgangspunkt der Vernichtung der Feinde aus dem Osten werden.

Ab 1943 betrieb Himmler ein Doppelspiel, mit den Westmächten über einen Seperatfrieden zu verhandeln und sich selbst als Nachfolger Hitlers zu installieren. Für einen offenen Machtkampf war er aber zu feige. Eine „Schonung“ von KZ-Insassen, die er dem Jüdischen Weltkongress in Aussicht stellte, war nur vorgeschoben. 1944 holte er sogar den in einem KZ festgehaltenen Astrologen Wilhelm Wulff nach Aigen, um sich von ihm astrologisch beraten zu lassen. Die Haft sei deshalb notwendig, sagte Himmler, weil die Astrologie Privileg der SS bleiben müsse. Wulff sagte nach eigenen Angaben das Attentat auf Hitler voraus. All diese okkulten Spintisierereien entheben Himmler aber nicht seiner historischen Verantwortung für seine Taten, die er kühl und geplant beging. Der gelernte Landwirt Himmler war ein Mann, der, getrieben von seinem Sadomasochismus, Hitlers Befehle pedantisch und ohne Erbarmen erfüllte.

Paul von Hintze, 1918 deutscher Staatssekretär des Äußeren, hatte 1923 die 600 m von Himmler entfernte Villa (jetzt im Besitz der Landesregierung) erworben. Seine Stieftochter Elisabeth v. Rauch heiratete 1932 in Salzburg den deutschen Offizier Wessel Freytag von Loringhoven, der 1943 unter Admiral Canaris Chef der Abwehr Ausland II (Sabotage) wurde. Er lieferte Oberst Stauffenberg den Sprengstoff und Zünder und nahm sich nach dem gescheiterten Attentat am 26. Juli 1944 das Leben. Im Zuge der Sippenhaft wurde die Familie - darunter vier Kinder - von der Gestapo dem Gauleiter vorgestellt, dann in ein Lager im Harz verbracht. Angeblich hat Himmler Hitler
überredet, die Familien des 20. Juli nicht töten zu lassen.

Am 23. Mai 1945 zerbiss der von den Amerikanern festgenommene Himmler – für zehn Jahre Herr über Leben und Tod in Europa – eine Zyankalikapsel und starb. Neuere Dokumente sprechen auch von der Tötung Himmlers durch die Briten.

Nach Ende der Kampfhandlungen sahen zwei Mitglieder der Trapp-Familie ihr altes Haus wieder: Rupert und Werner besuchten als Angehörige der US Army, von Italien kommend, Salzburg und stellten die Veränderungen am Elternhaus fest. Im Sommer 1947 kehrten die Missionare in ihr Haus zurück und erwarben es am 22. Mai 1947 von der Familie Trapp. 1992 wurde das Haus renoviert und 2008 einer privaten Firma verpachtet, die es als Hotel Garni unter dem Namen „Villa Trapp“ (The Original Sound of Music Family Home) nutzen möchte. (cs)

LITERATURTIPPS:

Über die Familie Trapp gibt es weltweit umfassende Publikationen und auch Filme in vielerlei Sprachen, wobei Sie sich im Internet rasch einen Überblick verschaffen können. Alle Versionen von „The Sound of Music“ sind auch auf DVD erhältlich.

Franz Wegener: Heinrich Himmler. Deutscher Spiritismus, französischer Okkultismus und der Reichsführer SS. Gladbeck 2004.


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