21. LAGER GLASENBACH

DIE VERSÄUMTE CHANCE DER "ENTNAZIFIZIERUNG"
Wie wenig wirksam die „Entnazifizierung“ ab 1945 durch US-Militärverwaltung und Republik Österreich war, zeigt auch das „Lager Glasenbach“ bei Salzburg.
Hier waren verdächtige NSDAP-, SA- und SS-Mitglieder sowie mutmaßliche Kriegsverbrecher und Massenmörder interniert. Sie konnten sich bei relativ guter Infrastruktur erholen, waren bewacht, doch weitgehend sich selbst überlassen. Hier rekrutierte Österreichs sogenanntes „drittes Lager“ spätere Politiker und Führungskräfte.
Im „Lager Glasenbach“ liegen Wurzeln der rechtspopulistischen „Freiheitlichen Partei“ (FPÖ), die wesentlich später u. a. Jörg Haider hervorbrachte. Das Areal mit 20 bis 30 Baracken gehörte nie zur Gemeinde Elsbethen-Glasenbach, sondern lag am anderen Ufer der Salzach in der Stadt Salzburg. „Lager Glasenbach“ hieß es im Volksmund wegen der nahen Bahnstation. Offiziell war das Lager nach einem amerikanischen Offizier benannt: „Camp Marcus W. Orr“.

Es gibt Hinweise, dass nach Auflösung des Lagers im Januar 1948 wichtige Akten vernichtet wurden, um NS-Täter für ihre Karrieren in Österreich zu schützen. Laut dem Historiker Oskar Dohle haben rund 20.000 Menschen das Lager durchlaufen. Ein Problem für die Alliierten war, wie sie mit den vielen Nazis in Österreich umgehen sollten. „Da es bei keiner NS-Organisation einen Beitrittszwang gab und der Aufstieg in mittlere bis hohe Positionen nur freiwillig erfolgen konnte, mussten die US-Behörden annehmen, dass Mitglieder bei NSDAP, SA und SS mit der verbrecherischen Ideologie übereinstimmten“, sagt die Historikerin Kathrin Meyer. „Das Problem war, dass diese Leute seit Jahren in ideologischem Denken gefangen waren, sich als unschuldig in Haft sahen, durch die Niederlage von Hitlerdeutschland im Krieg bedingt. Eine selbstkritische Reflexion war nicht möglich“, ergänzt der Historiker Ernst Hanisch. Im März 1947 kam es zu einem Häftlingsaufstand, einige Kriegsverbrecher konnten fliehen.

Von Zeitzeugen aus dem Gasteiner Tal ist bekannt, dass Sympathisanten mit der Bahn nach Glasenbach fuhren, um Lebensmittelpakete und Geschenke über den Lagerzaun zu werfen, obwohl die Lebensverhältnisse im Lager laut Oskar Dohle besser waren als unter der Salzburger Bevölkerung. Der amerikanische Lagerkommandant war zu den Insassen äußerst freundlich und sang mit ihnen bei diversen Festen u. a. auch das berüchtigte Horst-Wessel- Lied der Nazis. Dennoch wird das „Lager Glasenbach“ von Alt- und Neonazis immer wieder als „Konzentrationslager“ bezeichnet, um die Alliierten und ihre „Siegerjustiz“, wie es in diesen Kreisen heißt, zu diffamieren.(gl)

LITERATURTIPPS:

Wilhelm Swoboda, „... vorbehaltlos meine Pflicht erfüllt.“ Das Internierungslager Glasenbach, in: Zeitgeschichte, 22. Jahrgang, Heft 1–2, Januar / Februar 1995, S. 3–29.


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