24. SCHLOSS KLESSHEIM

BAROCKE TARNUNG FÜR HITLERS „EUROPA“
Schloss Kleßheim bei Salzburg funktionierte das Regime in ein „Gästehaus des Führers“ für Staatsbesuche um. Der barocke Bau des Fischer von Erlach aus dem Jahr 1700 wurde vom Architektenbüro Reitter und Strohmayr ab 1940 modifiziert: Ein Hauptportal mit Reichsadlern, ein Bahnhof und eine Zufahrt zur neuen „Reichsautobahn“ beim Walserberg entstanden. Viele Spuren der stilistischen Verwüstung trägt die Anlage bis heute.
1942 wurde der „kriegswichtige“ Umbau fertiggestellt. Salzburg war nun, wie es hieß, „Empfangssalon des Reiches“ und sollte „abendländisch-europäisch“ erscheinen. Bis 1944 wurde auf Schloss Kleßheim große Reichspolitik gemacht, schreibt der Historiker Ernst Hanisch. Hitler hatte von seiner Machtzentrale auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden nicht weit. In Kleßheim feilte er mit anderen Staatschefs an der Idee eines „antibolschewistischen“ Europa. Italiens Diktator Benito Mussolini, Ion Antonescu aus Rumänien, dem Ungarn Miklos Horthy, dem slowakischen Staatspräsidenten Jozef Tiso und dem Ustascha-Faschisten Ante Pavelic aus Kroatien machte Hitler seine Aufwartung. Er legte gefälschte Karten über den Kriegsverlauf vor, um die Überlegenheit der Wehrmacht zu untermauern und die Verbündeten bei der Stange zu halten. Horthy äußerte Bedenken gegen die deutsche Politik, verteidigte das Judentum und erntete brutale Drohungen Hitlers.

Als Horthy im März 1944 neuerlich in Kleßheim weilte, ließ Hitler Salzburg vernebeln, um den ungarischen Staatschef an der Heimreise zu hindern und die deutsche Invasion in Ungarn zu beginnen. Dieser Schachzug kostete Hunderttausenden ungarischen Juden das Leben, die nun ebenfalls in Vernichtungslager verfrachtet wurden. 1944 verkündeten in Kleßheim alle Generalfeldmarschälle ihre absolute Treue zu Hitler. Ein für 7. Juli 1944 beim Schloss geplantes Attentat durch General Hellmuth Stieff, einem Gefährten Stauffenbergs, kam nicht zustande. Stieff wurde zum Tod durch den Strang verurteilt, jedoch am 8. August 1944 in Berlin-Plötzensee bestialisch ermordet. Aus Polen hatte er schon 1939 seiner Frau berichtet: „Diese Ausrottung ganzer Geschlechter mit Frauen und Kindern ist nur von einem Untermenschentum möglich, das den Namen Deutsch nicht mehr verdient. Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein.“

Im Juli 1944 gab es in Kleßheim einen Staatsakt für Gebirgsjäger- General Eduard Dietl, einen frühen Gefährten Hitlers und Mitbegründer der SA, der tödlich verunglückt war. Hitler lobte Dietl – dem von Historikern zwei Kriegsverbrechen persönlich zugeschrieben werden – in Kleßheim als „ersten nationalsozialistischen Offizier der deutschen Wehrmacht“. Das hinderte die Bundesrepublik Deutschland nicht, im Allgäu bis 1995 eine „Generaloberst Dietl-Kaserne“ zu betreiben. Nach heftiger öffentlicher Kritik, ausgelöst durch den Publizisten Jakob Knab, wurde sie erst vor wenigen Jahren in „Allgäu-Kaserne“ umbenannt.

1945 feierten die Alliierten auf Schloss Kleßheim ihren Sieg. Der Bau wurde neben dem Hotel Bristol und dem „Camp Roeder“, der späteren Schwarzenberg-Kaserne, zum Sitz der amerikanischen Militärverwaltung. 1965 diente Kleßheim als Kulisse für den Film „The Great Race“ mit Jack Lemmon, Tony Curtis und Peter Falk. Das Land Salzburg nutzte das Schloss lange Zeit als Wohnung für Staatsbesucher. Heute gibt es beim Schloss eine internationale Tourismusschule. Seit 1993 beherbergt Kleßheim das vom Mönchsberg abgesiedelte Spielcasino. (gl)

LITERATURTIPPS:

Ernst Hanisch, Lustschloss Kleßheim, in: Helga Embacher, Ernst Fürlinger, Josef B. Mautner (Hg.): Salzburg Blicke, Salzburg, Wien 1999, S. 131–134.


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