25. MATTSEE

„JUDENREIN“ UND NAZIVERSEUCHT
Kaum ein anderer Sommerfrischeort zog so viel Naziprominenz und mutmaßliche Kriegsverbrecher an wie Mattsee. Die Hakenkreuzidylle war aber erst gegeben, nachdem der Ort von „jüdischen Elementen“ – zum Beispiel dem weltberühmten Komponisten Arnold Schönberg – „gesäubert“ worden war. Es war auch kein Zufall, dass einer der wertvollsten Kunstschätze der Welt, die Stephanskrone, von ungarischen Faschisten im Ort vergraben wurde.
Bereits ab 1870 begann in dem idyllisch im „Drei-Seen-Land“ – Obertrumer See, Mattsee, Grabensee – gelegenen Ort der Tourismus einzusetzen, Entdecker der Sommerfrische in Mattsee soll der jüdische Wiener Kriminalschriftsteller Balduin Groller gewesen sein. Nach dem Ersten Weltkrieg versuchte man jüdische Gäste fernzuhalten. Diese Bemühungen gipfelten in der Vertreibung des österreichischen Komponisten Arnold Schönberg (1874–1951) im Sommer 1921. Schönberg, der im Zimmerhanslhaus in Vorderwartstein 65 an einer Neuauflage der „Harmonielehre“ arbeitete, wurde durch eine Pressekampagne („Die Judenkolonie von Mattsee“), in der auch mit Gewalt gedroht wurde, sollte er sich widersetzen, zum Verlassen der Gemeinde getrieben.

Mattsee war der Heimatort des Feldchirurgen Burghard Breitner (1884–1956), der sich in russischer Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg für verwundete österreichische Soldaten in Sibirien einsetzte und als „Engel von Sibirien“ verehrt wurde. Breitner, ein späterer Präsidentschaftskanditat der VdU (Vorläufer der FPÖ), war bekennender Nationalsozialist und NSDAP-Mitglied, konnte aber den „Großen Ariernachweis“ nicht erbringen.

Unter den Ortsbewohnern regierte Bespitzelung und Denunziation gegen Sommergäste jüdischer Herkunft. 1927 wurde eine jüdische Familie durch ein nächtliches Schreikonzert von Mitgliedern des Union-Yachtklubs („Juden hinaus, lasset es schallen von Haus zu Haus!“) vertrieben. Sie verließ den Ort am Morgen des nächsten Tages.

Der Ruf als „judenreine“ Gemeinde zog in der Folge hohe NS-Funktionäre an, etwa den Notar Franz Hueber, der im Dritten Reich hohe Justizfunktionen bekleidete, mit Hermann Görings Schwester Paula verheiratet war und später als Kriegsverbrecher verurteilt wurde, sowie den NS-Marionetten-Minister (bis 1939) Oswald Mengin. Einer der übelsten Naziverbrecher, Arthur Seyß- Inquart (1892–1946), SS-Obergruppenführer und Reichsstatthalter Österreichs (bis 1939), kam ab 1932 oft nach Mattsee und erwarb hier auch ein Haus. Seyß-Inquart wurde in Nürnberg in mehreren Punkten als „wissender und freiwilliger“ Hauptkriegsverbrecher schuldig gesprochen und zum Tod durch den Strang verurteilt. Er starb mit den Worten „Ich glaube an Deutschland“ auf den Lippen.

Nur wenige Mattseer stemmten sich gegen den Strom: Der NS-Gegner Heinrich Sumereder, Kooperator des Stiftes Mattsee, starb 1943 im KZ Dachau.

Zu Kriegsende wurde eine der berühmtesten Staatsinsignien Europas, die ungarische Stephanskrone, die vor den heranrückenden Sowjets im Dezember 1944 in Budapest von Anhängern des deutschfreundlichen Premiers Ferenc Szalasi geborgen worden war, in einer Öltonne auf einem Hügel bei Mattsee vergraben. Szalasi verlegte seine Exilregierung der rechtsextremen Pfeilkreuzler in ein Hotel in Salzburg und stellte sich in Elixhausen den Amerikanern. Die Amerikaner hoben das Symbol des christlichen Magyarenlandes aus der zwei Meter tiefen Grube, nachdem sie Szalasis Adjutanten Ernö Gömbös verhört hatten. Szalasi, der 76.000 Juden als „Arbeitssklaven“ nach Deutschland geschickt hatte, wurde als Kriegsverbrecher hingerichtet. Die USA hatten über Jahrzehnte wenig Lust, den in Fort Knox eingelagerten Kopfschmuck an die „Atheisten“ (Außenminister Dulles) zu retournieren. Erst Jimmy Carter gab die Krone, Bestandteil des ungarischen Wappens, im Jahr 1978 zurück. (cs)

LITERATURTIPPS:

Harald Waitzbauer: Arnold Schönberg ist in Mattsee unerwünscht, in: Robert Kriechbaumer (Hg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit. Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien, Köln, Weimar 2002.


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