26. WALLERSEE

EIN SEE WIRD „RASSENREIN“
Der Wallersee als größtes Gewässer Salzburgs gilt seit den 1920er-Jahren als Erholungsoase für Einheimische und Wiener Sommerfrischler. Damals wollte man im moortrüben Wasser des nördlich der Stadt gelegenen Sees eine besondere Qualität erblicken – die der „judenreinen Sommerfrische“, und so wurde der ganze See rassistisch eingefärbt. Aus Henndorf wurde der bedeutendste Bühnenautor der 1920er- und 1930er-Jahre, Carl Zuckmayer, „ausgetrieben“.
Am Wallersee war die Ablehnung jüdischer Sommergäste besonders stark ausgeprägt und man meinte, auf der Höhe der Zeit oder ihr voraus zu sein, als sich die Gegend als „judenrein“ deklarierte. Die ideologische Grundlage des neueren Antisemitismus ist hier wie anderswo in der deutschen Bauernvereinsbewegung in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts zu suchen, genährt von den politischen Ideen Georg Ritter von Schönerers. Dazu kamen persönliche Begegnungen der ansässigen Bevölkerung mit bukowinischen Flüchtlingen ab 1916. Ende des 19. Jahrhunderts zählte die Gemeinde auch Julius Sylvester, einen zeitweise glühenden antisemitischen Politiker, zu ihren Bürgern. 1923 entstand im Ortsteil Zell, direkt an der Westbahn, auf der Liegenschaft von Sylvester ein Strandbad. Sylvester, als Abgeordneter zum Reichsrat ein bekannter Politiker der Ersten Republik, hatte seit seinem Zuzug nach Salzburg im Jahr 1886 die Stadt zum Zentrum der Bewegung im Geiste Georg von Schönerers gemacht, er war Vizebürgermeister von Salzburg und Obmann des „Germanenbundes“ und des „Kyffhäuser-Bundes“.

1921 ließ sich der Marktgemeindeausschuss Seekirchens per Beschluss dazu herab, „Juden von der Saison fernzuhalten und abzuschieben“. 1922 gründete sich die „Ortsgruppe Seekirchen des Vereines Deutschösterreichischer Schutzverein Antisemitenbund“. Obmann war der Seekirchner Gemeindearzt. „Die Seekirchner wollen und werden von nun ab keinen Juden in ihrer Gemeinde dulden.“ 1925 war die Ortsgruppe nach Salzburg-Stadt bereits die stärkste Gruppe im Antisemitenbund in Salzburg und blieb dies bis 1931.

1938 wurde der „arische“ Besitzer des „Strand- und Waldhotels am Wallersee“ in Neumarkt als Jude „denunziert“ und unter Druck gesetzt. Der Vorbesitzer, ein prominenter Nationalsozialist, ließ sich mit Gendarmeriegewalt als kommissarischer Verwalter bestellen. Das Ringen um das Haus entschied aber eine enge Vertraute Adolf Hitlers, die ehemalige Besitzerin des „Platterhofes“ auf dem Obersalzberg für sich, die dem gepeinigten Eigentümer das Haus zum halben Wert abpresste. Die Rückstellung seines Hotels erst im Dezember 1957 erlebte der Besitzer nicht mehr, er war im Jahr zuvor verstorben.

„Wenn Herr Zuckmayer die Wiesmühle wiederhaben will, so habe ich hierfür durchaus Verständnis und werde ihm keine Schwierigkeiten machen. Er möge aber andererseits bedenken, dass ich rund 20.000 Reichsmark dafür bezahlt habe und dass es bitter wäre, wenn ich zu allem Unglück auch noch dieses schöne Anwesen verlöre.“ Diese rührenden Worte aus dem Munde eines „Ariseurs“ („Käufers“) stehen am Ende der Geschichte um die Entziehung der „Wiesmühl“, eines Landhauses in Henndorf am Wallersee, das 1938 dem Schriftsteller Carl Zuckmayer geraubt wurde. „Bitter“ war für diesen der Verlust des Hauses und seiner Heimat Henndorf: der tiefste Einschnitt in seinem Leben und in seiner Karriere als Romancier, Bühnen- und Drehbuchautor.

Für Zuckmayer war die 1926 erworbene „Wiesmühl“ das „schönste Haus der Welt“, in dem er noch „40 Jahre darin zu wohnen und eines Tages darin zu sterben“ gedachte. Auf der Gartenbank vor der „Wiesmühl“ entstanden „Schinderhannes“ (1927), „Katharina Knie“ (1928) und „Der Hauptmann von Köpenick“ (1931). 1933 wurde Henndorf Zuckmayers Hauptwohnsitz; das Leben in Deutschland wurde zu gefährlich, 1934 kündigte Ullstein seinen Vertrag. Die „Wiesmühl“ wurde zum Treffpunkt für Emigranten, aber auch für Mitläufer und Prominente des Naziregimes: Der verfolgte Ödön von Horvath schrieb hier „Jugend ohne Gott“, der „verbotene“ Autor Franz Theodor Csokor sein Erfolgsdrama „3. November 1918“, Franz Werfel, Stefan Zweig, Marlene Dietrich, die 1944 gehenkten Hitler-Attentäter Theodor Haubach und Helmuth James von Moltke, aber auch Werner Krauss, später Darsteller des antisemitischen Hetzfilms „Jud Süß“, Schauspieler und NS-Filmfunktionär Emil Jannings waren Zuckmayers Gäste.

Am 15. März 1938 gelang Zuckmayer die Flucht in die Schweiz. Um die „Wiesmühl“ zankte sich die Ortsgruppe der NSDAP Henndorf mit der SA, der NSDAP-Brigade 8 in Salzburg und der Hitlerjugend, Bann Flachgau 583. „Da gibt es keine Apellationen und kein Recht und keine Wahrheit mehr, man ist blindlings ausgeliefert, wenn einem ,Kommissar‘ das Haus gefällt, so erklärt er einen zum Staatsfeind und nimmt sich’s einfach“, beklagte sich Zuckmayer. 1940 schnappte sich der Berliner Anwalt Hermann Petzoldt für lediglich 17.400 Reichsmark das Anwesen. Er war Justiziar des Ullstein-Verlages, in dem Zuckmayer publiziert hatte. 1948 erhielt Zuckmayer sein Haus zurück – er wohnte aber keinen Tag mehr darin und verkaufte es 1950. (cs)

LITERATURTIPPS:

Christian Strasser: Carl Zuckmayer. Deutsche Künstler im Salzburger Exil. 1933–1938. Wien, Köln, Weimar 1996.

Robert Kriechbaumer (Hg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit. Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien, Köln, Weimar 2002.


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