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Am Wolfgangsee mit den Seegemeinden St. Gilgen,
Strobl und St. Wolfgang war die Zahl jüdischer Sommerfrischler
und damit auch die Zahl der Enteignungen entsprechend hoch: Eine illustre Gesellschaft aus Ministern,
einem KZ-Kommandanten, einem SS-Major und
Hitlers Lieblingsmaler balgte sich um die leerstehenden
Villen. Ihre ehemaligen Besitzer landeten im Exil oder
im KZ. Das „jüdische“ „Weiße Rössl“ wurde mit einem
Hakenkreuz gebrandmarkt. |
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Die Mischung aus kristallklaren Seen, Bergen und idyllischen
Dörfern ließ das Salzkammergut für erholungssüchtige Stadtbewohner
zum Anziehungspunkt werden. Der Wolfgangsee blieb
auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie und des „Kaisertourismus“
im nahen Bad Ischl durch die Nähe zur Festspielstadt
Salzburg attraktiv. St. Gilgen war mit über 30 Liegenschaften eine
der begehrtesten „Kolonien“ für jüdische Eigentümer, vor allem
aus Wien. Diese waren besonders von den Enteignungen betroffen,
die ranghohe Nazis ab 1938 veranstalteten. Der Antisemitismus
vertrieb 1938 die jüdischen Künstler der „Zinkenbacher Malerkolonie“
rund um Georg Ehrlich, Bettina Bauer-Ehrlich, Leo Delitz,
Georg Merkel und Ferdinand Kitt, die sich regelmäßig beim Adambauern
trafen. „Während der Gnadenfrist, die Österreich noch hat,
sitzen sie hier zusammen in einem Boot. ,Arier‘ und ,Nichtarier‘,
die völkischen Kunstschaffenden und die ,Entarteten‘“, sagte Kitt.
Hass vertrieb auch die Schriftsteller Marie von Ebner-Eschenbach,
Leo Perutz, Richard Beer-Hofmann, der der Zeit in St. Gilgen in
„Paula. Ein Fragment“ eine wehmütige Erinnerung widmete, und
den kommunistischen Dichter Ernst Toller, der später in New York
Selbstmord beging.
Nach dem Anschluss 1938 brachen alle Barrieren: Hans Loritz,
von 1936 bis 1939 Kommandant des KZ Dachau, ließ sich in
St. Gilgen eine Luxusvilla von Häftlingen errichten. Sein Nachfolger,
Alex Piorkowski, machte Druck, um eine ehemals jüdische
Villa zu „arisieren“, was aber nicht gelang. Schon bald hieß es
im Auswärtigen Amt: „Um die wenigen in St. Gilgen zur Verfügung
stehenden Villen ist ein ungeheurer Kampf entbrannt.“ Die
Gemeinde St. Gilgen wollte bei diesem Raubzug nicht nachstehen
– Nazibürgermeister Johann Kogler „arisierte“ die Villa Oskar Kaufmanns,
damals Präsident der rumänischen Nationalbank, für die
Gemeinde. Um die Villa „Billiter“ stritten ein KZ-Kommandant,
ein Generaloberst, ein SS-Major und der deutsche Generalkonsul
von Mailand. Alle gingen leer aus, das Haus erhielt schließlich die
Witwe des Reichsministers Hans Kerrl. Der Adjutant des Gauleiters
Rainer, Leo Kreiner, stritt vergeblich um die „arisierte“ Villa von
Gertrude Steinreich in St. Gilgen, den Zuschlag bekam der Salzburger
Kunsthändler Friedrich Welz. In die Villa der Argentinier
Federico und Vera Guth zog 1943 der Lieblingsmaler Hitlers, Paul
Mathias Padua, ein.
St. Wolfgang mit dem weltberühmten „Weißen Rössl“ war als
Tourismusort nicht weniger beliebt. Auch das Klima Juden gegenüber
war ähnlich: „Nicht erfreulich wirken im Sommer die meisten jüdischen
Fremden“, vermerkte das katholische Dekanat Bad Ischl über St.
Wolfgang. 1896 entstand auf der Terrasse des gleichnamigen Hotels
Ralph Benatzkys „Im weißen Rößl“, ein weltweit bekanntes Musical,
das in London 650-mal en suite gespielt wurde und als „White Horse
Inn“ am Broadway reüssierte. Wegen seiner jüdischen Ehefrau musste
Benatzky Österreich verlassen. Die Nazis verdächtigten sogar fälschlicherweise
ihn selbst, er sei Jude. Wegen der jüdischen Koautoren
verboten die Nazis die Aufführung des beliebten Stückes. Benatzky
war im amerikanischen Exil nicht mehr gefragt und starb gebrochen
in der Schweiz. Er ist in St. Wolfgang begraben.
In diesem Umfeld bewegte sich auch der Schauspieler Emil
Jannings, der erste Oscarpreisträger der Geschichte (1927). Jannings
erwarb eine feudale Villa in Abersee auf halbem Weg zwischen St.
Gilgen und Strobl. Er galt als enger Vertrauter von Göring. Wenig
Skrupel kannte Jannings, als er einen Kollegen denunziert und seinen
Nachbarn in Abersee mithilfe des Gauleiters und Reichsstatthalters
Friedrich Rainer dazu gezwungen haben soll, dessen Besitz in Abersee
weit unter Wert an ihn zu veräußern. Dem TOBIS-Produktionsleiter
Ewald von Demandowsky verschaffte Jannings eine „arisierte“ Villa
in St. Gilgen. Unweit von St. Gilgen, in Scharfling (Mondsee), lebte
der Schauspieler Werner Krauss, der im antisemitischen Hetzfilm „Jud
Süß“ (1940) die Hauptrolle spielte. Zwischen 1933 und 1935 war er
stellvertretender Präsident der Reichstheaterkammer. Er wurde 1946
aus Österreich ausgewiesen, jedoch als „minderbelastet“ eingestuft
und konnte seine Karriere auf der Bühne fortsetzen. (cs) |
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Michael John: Antisemitismus in Oberösterreich. Linz 1993.
Albert Lichtblau: „Ein Stück Paradies …“ Jüdische Sommerfrischler in
St. Gilgen, in: Robert Kriechbaumer (Hg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit.
Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien, Köln, Weimar 2002.
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