29. KLAMMHÄUSL, EBENAU

GEJAGTER HUNGERDICHTER
Zeitlebens an die Landschaft um Salzburg gebunden war der Dichter Jakob Haringer, der von 1931 bis 1938 in dem Dörfchen Ebenau bei Salzburg lebte. Haringer stammte aus Dresden und war ein vaganter Dichter. Schon 1932 spottete der „Völkische Beobachter“, Haringer braue „aus hellem Unsinn, schwülen Mädchenund Hurenliedern und Marienmystik Kitsch zusammen“. 1938 entkam er in letzter Sekunde der Gestapo, er starb 1948 verarmt in der Schweiz.
Haringers Eltern bewirtschafteten von 1925 bis 1936 die Schlosswirtschaft in Salzburg-Aigen. Er selbst war unstet und veröffentlichte ab 1917 erste Gedichtsammlungen, die geprägt waren von poetischen Wortneuschöpfungen und einer surrealen Metaphorik. Er haderte mit seiner lumpenproletarischen Existenz, zugleich war ihm seine Bettlerrolle aber auch Inspirationsquelle. Ende der 1920er-Jahre war er auf dem Höhepunkt seines Ruhms, er verlegte bei angesehenen Verlagen und kandidierte für den Kleistpreis. Eine Ansammlung von Kleinvergehen – Gotteslästerung, Schmuggel, Meldevergehen – ließ die Behörden nach ihm suchen und löste einen Fluchtreflex aus. Ab 1929 begab er sich mehrfach in psychiatrische Kliniken. Seine Gedichte spiegeln die Verfolgung durch die Behörden wider. 1931 entstand die berüchtigte Sammlung „Das Schnarchen Gottes“, ein Kompendium unflätiger Gedichte.

Im selben Jahr kaufte er für sich und seine Lebensgefährtin Herta Grigat ein winziges Haus in Ebenau, Klammhäusl Nr. 9, für das der in Bürmoos ansässige Schriftstellerkollege Georg Rendl bürgte. In dem direkt an der tosenden Klamm des Schwarzaubaches gelegenen Häuschen kamen seine beiden Kinder zur Welt. Das Innere war außergewöhnlich gestaltet, mit in Blau und Schwarz bemalten Wänden und zahlreichen Spiegeln. Zugleich war das Ebenauer Haus der „Verlagssitz“ von erfundenen Verlagen wie dem „Grigat- Verlag“, die Kleinauflagen publizierten.

Wie sehr ihm Salzburg am Herzen lag, zeigt sich in den Gedichten „Hellbrunn“, „In der Sonne von Salzburg sitzen“, „Wanderung über Gmain nach Salzburg“ – fast sein Lebensmotto: „O große Gnade des Lebens, arm zu sein! Entbehren zu müssen, wieder in Sehnen und Enttäuschungen durch große Städte irren und dann wieder in diesen uralten Alleen, kleinen Kneipen träumen, am Mönchsberg wandern, in der Ferne die nahen Alpen, den tiefblauen Himmel … Und überm Mozartplatz tröstet das Glockenspiel …“

Seine Wut über die Staatsmacht schrieb er sich in Briefen an Ämter und wütenden Reimen von der Seele: „Für euch blöde Schullehrer und verschissne Affen / Für euch feige Richtertrichinen und Abortbanditen / Für eure Gerechtigkeit, eure Ehre / O ihr falschen Hottentotten, bin ich nicht auf der Welt!“

1936 wurde der „Irrenhauspoet“ und „Vertreter des jüdischen Kulturbolschewismus“ („NS-Monatshefte“) aus Deutschland ausgebürgert. Mit seiner „Deutschland-Ode“ deklarierte sich der Vagantendichter als Antifaschist. Zur Zeit des Anschlusses 1938 hielt sich Haringer in Ebenau auf. Nach ihm suchte bereits die Gestapo. Über die grüne Grenze floh er im letzten Moment nach Prag: „Ich bin den Henkern mit 1000 Todesnöten entkommen. Gestern verbrachte ich ca. zehn Stunden im Wasser, um die tschechische Grenze zu erreichen, gehetzt von der Gestapo … Wann sieht endlich die Welt ein, was ihr vom Hakenkreuz blüht??“

Nun lebte er mal in Paris, dann wieder illegal in der Schweiz, wo er den Krieg überstand. Sein von Flucht aufgezehrter Körper versagte ihm 1948 den Dienst, ein Herzinfarkt beendete sein turbulentes Leben. „Lieder eines Lumpen. Aus dem Gebetbuch des armen Jakob Haringer“ hieß sein Nachlassband. (cs)

LITERATURTIPPS:

Hildemar Holl (Hg.): Jakob Haringer: Aber des Herzens verbrannte Mühle tröstet ein Vers. Salzburg 1988.


zurück
weiter
 
   
 
 
Impressum BestellenFeedback Start Stadt Land Inhlatsverzeichnis Suche Czernin Verlag