54. KONZENTRATIONSLAGER EBENSEE

GEBURTSHELFER DER RAUMFAHRT
Raumfahrt und Rüstungsindustrie haben historische Wurzeln in Konzentrationslagern der Nazis. In Ebensee, nicht weit von Salzburg, sollten Arbeitssklaven die Bauteile der ersten Strahl- bzw. Raketentriebwerke fertigen. Wernher von Brauns Produktion sollte von der Ostsee ins Salzkammergut verlegt werden. Das Wissen deutscher Ingenieure beschleunigte nach Kriegsende in den USA die Entwicklung von Überschallflügen, Marschflugkörpern und Weltraumtechnik.
Das Raketenforschungszentrum Hitlers befand sich in Peenemünde an der Ostsee. Hier wurden neuartige Waffen entwickelt, darunter die sogenannte „V2“, die eigentlich „A4-Rakete“ hieß und nie wirklich serienreif wurde. Mit hoher Brenndauer und genau berechneten Abschusswinkeln sollten weit entfernte Ziele angesteuert werden – eine Vorläuferin moderner Marschflugkörper. Weil Peenemünde immer exponierter war, verlegte man Teile der Produktion unter anderem nach Wiener Neustadt. 1943 griffen amerikanische Bomber auch hier an. Damit war klar, dass es kaum noch „sichere“ Standorte gab, schreibt der Historiker Florian Freund, der das KZ Ebensee erforscht hat. So wurde der Bau eines „unterirdischen Forschungswerkes“ beschlossen, die Wahl fiel auf Ebensee im gebirgigen Salzkammergut. Neben dem KZ Dora/Mittelbau in Thüringen war es die zweite unterirdische Fabrik, die die SS für Rüstungsminister Albert Speer betrieb. Ab November 1943 trieben KZ-Häftlinge bei Ebensee riesige Stollen in den Berg – für „Forschung und Entwicklung“, Raketenprüfstände und eine Ölraffinerie.

Im August 1944 erhielten Raketen Priorität. Doch wieder kam der Kriegsverlauf dazwischen. Weil die Rote Armee schon in Ungarn stand, wurden Rüstungsbetriebe, die Teile für Flugzeuge und Panzer herstellten, in die Stollen verlegt. Die Sterblichkeit der Häftlinge in Ebensee schien geringer zu sein – bis bekannt wurde, dass die Kranken nach Hartheim und Mauthausen gebracht wurden, um sie dort zu vergasen. Insgesamt kamen bis 1945 in Ebensee 8745 Häftlinge um.

Das KZ Ebensee wurde am 6. Mai 1945 von Pattons 3. Armee befreit. Den Amerikanern boten sich Bilder des Grauens. Sie errichteten bei Ebensee ein Lager für sogenannte „Displaced Persons“, die vielen Opfer der Nazis. Hitlers Raketenforscher unter Wernher von Braun wurden – obwohl für ihre Zwecke Tausende KZ-Häftlinge zu Tode kamen – nicht als Kriegsverbrecher angeklagt. Die USA nutzten das Wissen der Deutschen später für ihre eigene erfolgreiche Raumfahrt. (gl)

LITERATURTIPPS:

Florian Freund: Das Konzentrationslager Ebensee. Raketenrüstung im SS-Arbeitslager „Zement“. Innsbruck 2006.


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