55. AUSSEER LAND UND BAD ISCHL

HÄRTESTE BASTION DES WIDERSTANDES UND SCHATZKAMMER DER NAZIS
Im April 1945 wollte der Gauleiter von „Oberdonau“ die im Altausseer Salzbergwerk eingelagerten Kunstschätze und Raubkunst aus ganz Europa, darunter den Genter Altar, vernichten. Widerstandsgruppen vereitelten den
Plan und retteten damit unschätzbare Kostbarkeiten. Doch die mutigen Frauen und Männer verhafteten zu Kriegsende auch führende Nazis, nahmen mit der US Army Kontakt auf, verhinderten so weitere Kampfhandlungen und riefen selbstbewusst die „Republik Ausseerland“ aus.
Die Widerstandsbewegung im inneren Salzkammergut (Region Ebensee – Bad Ischl – Bad Goisern – Ausseerland) stellte in ihrer Dimension eine Ausnahmeerscheinung in Österreich dar. Der Kreis der Aktivisten und direkten Unterstützer, darunter viele Frauen, umfasste gegen Ende des Krieges rund 500 bis 600 Personen. Protest und Widerstand fielen hier schon immer auf fruchtbaren Boden. Der Salzbergbau und die damit verbundenen Privilegien förderten ein regionales Selbstbewusstsein, das sich seit dem Mittelalter in Aufständen, Demonstrationen und Protesten niederschlug. Zudem war das innere Salzkammergut ein relativ abgeschlossenes alpines Gebiet, in dem Widerstandskämpfer aufgrund ihrer Ortskenntnisse leichter untertauchen konnten.

Ursprünglich gab es drei voneinander unabhängige Widerstandsgruppen. Eine Geheimorganisation im Ausseerland wurde 1940 von dem Sozialdemokraten Albrecht Gaiswinkler, dem Polizisten Valentin Tarra und seiner Frau Anna und einem Salinenbeamten in Bad Aussee gegründet. Durch Verrat an die Gestapo löste sich die Gruppe wieder auf, doch Gaiswinkler konnte zur britischen Armee überlaufen und sprang im April 1945 mit anderen Österreichern über dem Höllengebirge bei Ebensee ab, um Einheiten der Wehrmacht und der SS zu verhaften. Die zweite und größte Gruppe unter dem Decknamen „Willy“ bzw. „Fred“ bauten die aus KZs und Gefängnissen geflüchteten Kommunisten Sepp Plieseis, Karl Gitzoller und Alois Straubinger in Bad Ischl und Umgebung auf. Die Arbeiterin Resi Pesendorfer hatte unterdessen eine Organisation aufgebaut, die nun der Gruppe „Willy-Fred“ half. Die Frauen versteckten von der SS gesuchte Widerstandskämpfer und versorgten sie mit Lebensmitteln, Waffen und Sprengstoff. Konspirative Treffen fanden beim Kaiser-Jagdstandbild in der Ischler Kaltenbachau statt. Im Frühjahr 1944 zogen sich die führenden Mitglieder der Gruppe „Willy- Fred“ in den „Igel“ zurück, eine provisorische Unterkunft im Toten Gebirge. Die dritte Widerstandsbewegung, gegründet von Arbeitern und Beamten des Altausseer Salzwesens, wurde erst gegen Kriegsende aktiv, als Gauleiter August Eigruber den Befehl gab, die seit 1943 im Bergwerk eingelagerten Kunstschätze zu zerstören. Eigruber ließ dazu acht Fliegerbomben in die Stollen bringen, welche die Widerstandskämpfer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abtransportierten. Auch SS-Führer Ernst Kaltenbrunner unterstützte die Rettung der Kunstschätze – er erhoffte sich dadurch von der US Army nach dem Ende des Dritten Reichs eine mildere Behandlung. Eigene Einheiten der US Army waren jahrelang damit beschäftigt, die Kunstgegenstände in eine zentrale Sammelstelle zu transportieren und die ursprünglichen Eigentümer der geraubten und im Bergwerk gelagerten Werke auszuforschen. Manche Kostbarkeiten können bis heute nicht zugeordnet werden.

Die US Army übergab das Bergwerk 1946 an das österreichische Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung. Im selben Jahr konnten auch die ersten Besucher das Bergwerk wieder besichtigen. Heute sind die „Salzwelten Altaussee“ eine Touristenattraktion, in einem eigenen Bereich wird die Geschichte der Rettung der Kunstwerke präsentiert. Die Geschichte der ehemaligen Widerstandskämpfer verlief weniger erfolgreich. Unmittelbar nach Kriegsende erhielten die Aktivisten Schlüsselpositionen in den Gemeinden, wie die Leitung des Sicherheitsdienstes oder als Gemeinde- und Stadträte. Doch der beginnende Kalte Krieg brachte Ernüchterung. Die US Army war nur noch am Kampf gegen den Kommunismus und die Aufrüstung der UdSSR interessiert. Außerdem erhielten ehemalige hochrangige Nazis wieder Ämter im demokratischen Österreich. Nach und nach zogen sich viele ehemalige Widerstandskämpfer aus dem aktiven politischen Leben zurück. Auch das offizielle Österreich interessierte sich wenig für jene, die am Kampf um eine freie Demokratie mitgewirkt hatten. Nur die Ischlerin Resi Pesendorfer erhielt für ihre Verdienste um die Befreiung Österreichs das Ehrenzeichen der Republik. (sr)

LITERATURTIPPS:

Klaus Kienesberger u.a. (Hg.): unSICHTBAR. Widerständiges im Salzkammergut, Wien 2008.

Katharina Hammer: Glanz im Dunkel. Die Bergung von Kunstschätzen im Salzkammergut am Ende des 2. Weltkrieges. Wien 1990.


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