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Im April 1945 wollte der Gauleiter von „Oberdonau“ die
im Altausseer Salzbergwerk eingelagerten Kunstschätze
und Raubkunst aus ganz Europa, darunter den Genter
Altar, vernichten. Widerstandsgruppen vereitelten den
Plan und retteten damit unschätzbare Kostbarkeiten.
Doch die mutigen Frauen und Männer verhafteten zu
Kriegsende auch führende Nazis, nahmen mit der US
Army Kontakt auf, verhinderten so weitere Kampfhandlungen
und riefen selbstbewusst die „Republik
Ausseerland“ aus. |
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Die Widerstandsbewegung im inneren Salzkammergut (Region
Ebensee – Bad Ischl – Bad Goisern – Ausseerland) stellte in
ihrer Dimension eine Ausnahmeerscheinung in Österreich dar. Der
Kreis der Aktivisten und direkten Unterstützer, darunter viele Frauen,
umfasste gegen Ende des Krieges rund 500 bis 600 Personen. Protest
und Widerstand fielen hier schon immer auf fruchtbaren Boden.
Der Salzbergbau und die damit verbundenen Privilegien förderten
ein regionales Selbstbewusstsein, das sich seit dem Mittelalter in
Aufständen, Demonstrationen und Protesten niederschlug. Zudem
war das innere Salzkammergut ein relativ abgeschlossenes alpines
Gebiet, in dem Widerstandskämpfer aufgrund ihrer Ortskenntnisse
leichter untertauchen konnten.
Ursprünglich gab es drei voneinander unabhängige Widerstandsgruppen.
Eine Geheimorganisation im Ausseerland wurde 1940
von dem Sozialdemokraten Albrecht Gaiswinkler, dem Polizisten
Valentin Tarra und seiner Frau Anna und einem Salinenbeamten in
Bad Aussee gegründet. Durch Verrat an die Gestapo löste sich die
Gruppe wieder auf, doch Gaiswinkler konnte zur britischen Armee
überlaufen und sprang im April 1945 mit anderen Österreichern über
dem Höllengebirge bei Ebensee ab, um Einheiten der Wehrmacht
und der SS zu verhaften. Die zweite und größte Gruppe unter dem
Decknamen „Willy“ bzw. „Fred“ bauten die aus KZs und Gefängnissen
geflüchteten Kommunisten Sepp Plieseis, Karl Gitzoller und
Alois Straubinger in Bad Ischl und Umgebung auf. Die Arbeiterin
Resi Pesendorfer hatte unterdessen eine Organisation aufgebaut,
die nun der Gruppe „Willy-Fred“ half. Die Frauen versteckten von
der SS gesuchte Widerstandskämpfer und versorgten sie mit Lebensmitteln,
Waffen und Sprengstoff. Konspirative Treffen fanden beim
Kaiser-Jagdstandbild in der Ischler Kaltenbachau statt. Im Frühjahr
1944 zogen sich die führenden Mitglieder der Gruppe „Willy-
Fred“ in den „Igel“ zurück, eine provisorische Unterkunft im Toten
Gebirge. Die dritte Widerstandsbewegung, gegründet von Arbeitern
und Beamten des Altausseer Salzwesens, wurde erst gegen
Kriegsende aktiv, als Gauleiter August Eigruber den Befehl gab, die
seit 1943 im Bergwerk eingelagerten Kunstschätze zu zerstören.
Eigruber ließ dazu acht Fliegerbomben in die Stollen bringen,
welche die Widerstandskämpfer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
abtransportierten. Auch SS-Führer Ernst Kaltenbrunner unterstützte
die Rettung der Kunstschätze – er erhoffte sich dadurch von der US
Army nach dem Ende des Dritten Reichs eine mildere Behandlung.
Eigene Einheiten der US Army waren jahrelang damit beschäftigt,
die Kunstgegenstände in eine zentrale Sammelstelle zu transportieren
und die ursprünglichen Eigentümer der geraubten und im
Bergwerk gelagerten Werke auszuforschen. Manche Kostbarkeiten
können bis heute nicht zugeordnet werden.
Die US Army übergab das Bergwerk 1946 an das österreichische
Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung.
Im selben Jahr konnten auch die ersten Besucher das Bergwerk
wieder besichtigen. Heute sind die „Salzwelten Altaussee“ eine
Touristenattraktion, in einem eigenen Bereich wird die Geschichte
der Rettung der Kunstwerke präsentiert. Die Geschichte der ehemaligen
Widerstandskämpfer verlief weniger erfolgreich. Unmittelbar
nach Kriegsende erhielten die Aktivisten Schlüsselpositionen in
den Gemeinden, wie die Leitung des Sicherheitsdienstes oder
als Gemeinde- und Stadträte. Doch der beginnende Kalte Krieg
brachte Ernüchterung. Die US Army war nur noch am Kampf gegen
den Kommunismus und die Aufrüstung der UdSSR interessiert.
Außerdem erhielten ehemalige hochrangige Nazis wieder Ämter
im demokratischen Österreich. Nach und nach zogen sich viele
ehemalige Widerstandskämpfer aus dem aktiven politischen Leben
zurück. Auch das offizielle Österreich interessierte sich wenig für
jene, die am Kampf um eine freie Demokratie mitgewirkt hatten.
Nur die Ischlerin Resi Pesendorfer erhielt für ihre Verdienste um die
Befreiung Österreichs das Ehrenzeichen der Republik. (sr) |
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Klaus Kienesberger u.a. (Hg.): unSICHTBAR. Widerständiges im
Salzkammergut, Wien 2008.
Katharina Hammer: Glanz im Dunkel. Die Bergung von Kunstschätzen
im Salzkammergut am Ende des 2. Weltkrieges. Wien 1990.
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