|  |  | 
      
        |  | 
      
        |  | 
            
              | 
                  
                    | 
                        
                          
                         
                          
                         
                          | 
                              
                                | Architektur, die von nationalsozialistischen Geistern
                                  entworfen wurde, kommt protzig, behäbig, uniformierend
                                  und beherrschend daher: als bürokratischer Zweckbau mit festungsartigen Türmen, pompösen Torbogen
                                  oder älplerisch behübschter Idylle, die den
                                  Geschmack von Traditionalisten bis heute beeinflusst. In
                                  Hitlers Machtzentrale Berchtesgaden steht ein Musterbeispiel
 – ein Prachtexemplar von nationalsozialistischem
                                  Bahnhof, das unter Denkmalschutz steht.
 |  |  
                          | Hier kam er an, wenn es kein Flugwetter gab, oder er fuhr ab –
                            wie am 22. November 1942, als seine Soldaten bei Stalingrad
                            schon massenweise dem sicheren Tod entgegengingen. Drei Tage
                            zuvor hatte Hitler in seinem Domizil auf dem Obersalzberg von der
                            eingekesselten 6. Armee erfahren. Nun fuhr er von Berchtesgaden
                            in seinem Sonderzug nach Leipzig, von dort weiter zum Hauptquartier
                            „Wolfsschanze“ nach Ostpreußen, wo er mit weiteren
                            Befehlen seiner 6. Armee die für Tausende Soldaten lebensrettende
                            Kapitulation verbot. 
 Die geschmiedeten Stahlstangen für die Fahnen mit den
                            Hakenkreuzen und SS-Runen ragen über den Vorplatz des Berchtesgadener
                            Bahnhofes wie eh und je, und fast sieht man den
                            „Führer“ in dem eigens für ihn errichteten Abfahrts- und Ankunftstrakt
                            verschwinden. In dem von 1938 bis 1940 erbauten Bahnhof
                            vereinigen sich nationalsozialistische Sehnsucht nach Idylle, Belagerung
                            und Unterdrückung mit dem Drang, das „Volk“ und seine
                            traditionellen Bauformen zu vereinnahmen, zu überhöhen und
                            architektonisch zu vergewaltigen. Der Bau kommt als Festung,
                            Bahnhof, Bergbauernhof, Almhütte und Plumpsklo gleichermaßen
                            daher. Nicht nur die braune Masse liebt(e) solche Bauten; ebenso
                            Nachfolger im Geiste, von denen manche in alpinen Gegenden
                            noch lange den Ton angaben, wenn es um Raumplanung und
                            Architektur ging.
 
 Diskothek „Hallodri“ in Hitlers Abfertigungstrakt
 Zahlreiche Relikte erinnern an das Dritte Reich: Über dem Haupteingang
                            wurde nur das Symbol der Reichsbahn abmontiert, die
                            Stahlflügel sind geblieben. Beim Postamt fehlt der Reichsadler, die
                            Vorrichtung ist zu erkennen. Dazu kommen Beleuchtungskörper
                            und Accessoires im Original-Design der Nazis. In dem für Hitler
                            und seine Gäste reservierten Abfertigungsbereich befinden sich
                            heute ein Reisebüro und die Diskothek „Hallodri“. Allein das zeigt
                            den bizarren Umgang der Deutschen Bahn mit der Vergangenheit
                            ihrer Infrastruktur. In den letzten Jahren haben auf dem Vorplatz
                            Baufirmen planlos gewütet und einen Busterminal sowie einen
                            Kreisverkehr für entpolitisierten Massentourismus geschaffen, der
                            das Ensemble in Gefahr bringt. Der Bau wurde von der bayerischen
                            Staatsregierung unter Denkmalschutz gestellt. Vielleicht ist
                            dadurch auch in 300 Jahren noch zu sehen, wie man Architektur
                            für Politik verwirklicht bzw. missbraucht, die ganze Weltregionen
                            in den Abgrund führt.
 
 In Berchtesgaden empfehlen sich zudem Abstecher ins obere
                            Stadtzentrum mit viel Barock und seiner zum Teil ebenso auffälligen
                            NS-Baukultur sowie zum Sportplatz hinter der modernen Watzmanntherme.
                            Beim Fußballfeld sind noch immer alte Tribünen in
                            Gebrauch und zwei Türme, die als Mannschaftskabinen dienen. Sie
                            stammen wie der Bahnhof aus den 1930er-Jahren. Die SS stattete
                            auch Sportplätze mit Türmen aus, wie sie in Konzentrationslagern
                            in etwas größerer Ausführung gebaut wurden. (gl)
 |  |  |  
 
          
            | 
                
                  | 
                      
                        
                       
                        | Ernst Hanisch: Der Obersalzberg, das Kehlsteinhaus und Adolf Hitler.
                          Berchtesgaden 1995.
 Wolfgang W. Weiß: Spurensuche am Obersalzberg. NS-Geschichte
                          zwischen Vermarktung und Verdrängung, in: Bernd Ogan,Wolfgang
                          W. Weiß (Hg.): Faszination und Gewalt. Zur politischen Ästhetik des
                          Nationalsozialismus. Nürnberg 1992.
 |  |  |  
 | 
      
        |  | 
      
        |  |  | 
      
        |  |  |